Die Gesellschaft des Abendsterns
Tat um eine ganz ähnliche Mission. Ich muss ein Amulett von einem Mitglied der Gesellschaft des Abendsterns zurückholen. Damit würden wir ihrer Organisation einen schweren Schlag versetzen.«
»Das sind die Leute, die versuchen, alle magischen Reservate wie Fabelheim zu zerstören«, sagte Seth. »Und die Dämonen zu befreien.«
»Kluger Junge.«
»Ist es wieder ein Vampir?«, erkundigte sich Seth.
»Nichts so Exotisches«, versicherte Errol. »Das Amulett befindet sich auf einem Hausboot. Der Besitzer ist außer Landes, deshalb ist das Boot im Moment leer. Der einzige Haken ist, dass wir mehrere Stunden fahren müssen, um dort hinzugelangen. Es würde die ganze Nacht dauern. Wenn wir etwa gegen zehn aufbrechen, könnte ich dich vor sechs Uhr morgens zurückbringen.«
»Morgen Früh ist Schule«, wandte Seth ein.
»Was der Grund ist, warum ich die Unternehmung für morgen Nacht geplant habe«, sagte Errol. »Das Schuljahr ist dann vorüber. Außerdem kann deine Schwester dir diesmal helfen. Die Barriere auf dem Hausboot funktioniert nur bei Personen, die achtzehn oder älter sind.«
»Ich werde es mit ihr besprechen. Wie kann ich Sie erreichen?«
»Ich werde morgen Abend an der Tankstelle sein. Kommt möglichst pünktlich gegen zehn. Ich werde bis halb elf auf euch warten. Danach werde ich davon ausgehen, dass ihr ablehnt.«
»Verstanden. Ich gehe jetzt besser; die Busse werden jeden Augenblick abfahren.«
»Unbedingt«, sagte Errol. »Unbedingt.«
Kendra machte einen Punkt hinter den letzten Satz des letzten Aufsatzes ihrer letzten Prüfung. Englisch. Sie wusste, dass sie hervorragend abgeschnitten hatte, genauso mühelos, wie sie die anderen Fächer absolviert hatte. Sobald sie den Test abgab, hätte sie die Mittelschule offiziell beendet. Es war Freitagnachmittag, und zwischen jetzt und den nächsten Hausaufgaben lagen fast drei Monate.
Doch als Kendra den Prüfungsbogen abgab, verspürte sie nicht die Begeisterung, die sie verdient gehabt hätte. Stattdessen belastete sie die Frage, ob sie sich aus dem Haus schleichen sollte, um mit einem praktisch wildfremden Mann und ihrem jüngeren Bruder in ein Hunderte von Meilen entferntes Hausboot einzubrechen.
Sie hatte ihren Opa telefonisch noch immer nicht erreicht, und er hatte auch nicht auf den Brief geantwortet, den sie am Dienstag abgeschickt hatte. Sie hatte Seth erklärt, zu welchem Schluss sie gekommen war: Solange Opa
nicht Errol Fisks Identität bestätigt hatte, würden sie nicht mitten in der Nacht eine Autofahrt mit ihm unternehmen. Die Sache mit dem Klabauter war aus einer Zwangslage heraus entstanden. Jetzt konnten sie es sich leisten, ein oder zwei Tage zu warten.
Seth hatte geschimpft, sie sei eine Verräterin und ein Feigling. Er hatte gesagt, dass sie, wenn sie schon eine Chance hatten, der Gesellschaft des Abendsterns zu schaden, diese besser ergreifen sollten. Beendet hatte er seine Tirade mit der Drohung, sich Errol ohne sie anzuschließen.
Da sie frühzeitig mit der Prüfung fertig geworden war, blieben Kendra etwa zwanzig Minuten, bevor die Busse abfahren würden. Sie ging zu ihrem Schließfach und ließ sich Zeit damit, alles, was sie behalten wollte, in ihren Rucksack zu packen, einschließlich der Fotos, die sie aus Zeitschriften ausgeschnitten und an die Innenseite der Tür geklebt hatte. Vielleicht hatte Seth ja Recht. Eigentlich war es eher eine Formalität, sich mit Opa abzusprechen. Errol hatte ihnen bereits geholfen, den Klabauter loszuwerden. Wenn er ihnen Schaden zufügen wollte, hätte er das auf dem Weg zur Leichenhalle getan.
Kendra versuchte, ganz ehrlich mit sich zu sein. Sie hatte Angst, auf das Hausboot zu gehen. Wenn es jemandem von der Gesellschaft des Abendsterns gehörte, würde es sehr gefährlich werden. Und diesmal würde sie hineingehen müssen und nicht nur im Wagen sitzen und warten.
Sie zog den Reißverschluss ihres Rucksacks hoch. Was sie wollte, war ganz einfach: Opa Sørensen sollte ihr sagen, dass Errol zwar ein Freund war, es aber keine Aufgabe für Kinder sei, mitten in der Nacht Amulette von Hausbooten zu stehlen. Oder für Teenager. Und das stimmte schließlich! Barrieren hin, Barrieren her, es war doch irgendwie seltsam, dass Errol für solche Aufgaben Kinder rekrutierte.
Sie ging den Flur hinunter und durch die Türen nach draußen. Die Sonne schien. Die Busse standen im Leerlauf in einer Reihe entlang des Bordsteins. Nur wenige Kinder saßen darin. Es blieben noch zehn Minuten,
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