Die Gesellschaft des Abendsterns
kurz, so dass Seth ein Stück zurücklaufen musste, aber er sprang höher als Randy und angelte sich den Ball. Randy tackelte Seth jedoch sofort mit beiden Armen, und er ging zu Boden – unmittelbar vor Chad Duprees Sweatshirt, das den Anfang der Endzone markierte.
»Dritter und Goal«, erklärte Spencer und kam über das Feld gehechelt.
»Seth!«, rief jemand. Seth drehte sich um. Es war Kendra. Normalerweise sprach seine Schwester in der Schule nicht mit ihm. Die Roosevelt Middle School ging von der sechsten bis zur achten Klasse – Seth stand also in der Hackordnung auf der untersten Stufe, nachdem er im vergangenen Jahr von der Grundschule hierher gewechselt hatte.
»Eine Sekunde«, rief Seth Kendra zu. Die übrigen Spieler stellten sich auf, und Seth nahm ebenfalls seine Position ein. Diesmal versuchte Spencer gleich, einen kurzen Pass zu spielen, doch Derek Totter von der Gegenseite gelang es, den Ball abzufangen. Seth machte sich gar nicht erst die Mühe, Derek zu verfolgen – den schnellsten Läufer ihres Jahrgangs. Derek marschierte durch bis zur Endzone.
Seth lief zu Kendra hinüber. »Bringst du schlechte Nachrichten wie gewöhnlich?«, fragte er.
»Das war ein schwacher Pass.«
»Spencer ist nur deshalb Quarterback, weil er am weitesten werfen kann. Was liegt an?«
»Komm mit, ich muss dir etwas zeigen«, antwortete Kendra.
Seth verschränkte die Arme vor der Brust. Das war alles sehr ungewöhnlich. Nicht nur, dass sie in der Schule mit ihm redete, sie wollte auch noch, dass er mit ihr irgendwo hinging!
»Wir stoßen an!«, brüllte Randy.
»Kendra, ich bin mitten in einem Spiel«, sagte Seth.
»Es hat etwas mit Fabelheim zu tun.«
Seth drehte sich zu seinen Freunden um. »Tut mir leid! Ich muss mal kurz unterbrechen.« Er und Kendra gingen zusammen davon. »Was ist los?«
»Du weißt doch, dass ich immer noch magische Kreaturen sehen kann?«
»Ja.«
»Heute war in ein paar meiner Kurse ein neuer Schüler«, erklärte sie. »Er tut so, als wäre er ein Mensch, aber in Wirklichkeit ist er ein hässliches Ungeheuer.«
»Nicht möglich.«
»Meine Freundinnen finden ihn alle süß, und ich kann ihn nicht so sehen, wie sie ihn sehen. Ich möchte, dass du ihn mir beschreibst.«
»Wo ist er?«, fragte Seth.
»Da drüben. Er unterhält sich mit Lydia Southwell«, erwiderte Kendra und deutete verstohlen auf den Neuling.
»Der Blonde da?«
»Ich weiß nicht. Rotschwarzes Hemd?«
»Ist der süß !«, schwärmte Seth.
»Wie sieht er aus?«
»Er hat so träumerische Augen.«
»Lass das«, sagte Kendra verärgert.
»Er muss eine tolle Fantasie haben.«
»Seth, ich meine es ernst!« Inzwischen kündigte die Klingel das Ende der Mittagspause an.
»Ist er wirklich ein Ungeheuer?«, wollte Seth wissen.
»Er sieht ein wenig so aus wie die Kreatur, die am Mittsommerabend durchs Fenster gekommen ist«, antwortete Kendra.
»Die, die ich eingesalzen habe?«
»Ja. Welches Erscheinungsbild gaukelt er euch vor?«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Seth misstrauisch zurück. »Er ist einfach ein neuer Schüler, in den du dich verknallt hast, oder? Wenn du dich nicht traust, kann ich ihn ja nach seiner Telefonnummer fragen.«
»Ich rede keinen Quatsch.« Kendra schlug ihm auf den Arm.
»Athletische Gestalt. Grübchen am Kinn. Blondes Haar, etwas wirr, aber cool. Als wäre es Absicht. Er könnte wahrscheinlich eine Rolle in einer Seifenoper kriegen. Reicht das?«
»Nicht kahl und bedeckt mit Schorf und Eiter?«, fragte Kendra nach.
»Nein. Ist er wirklich total ekelhaft?«
»Sein Anblick weckt in mir den Wunsch, mich zu übergeben. Danke, wir sehen uns später.« Kendra eilte davon.
Mr. Seifenoper ging ebenfalls, wobei er nach wie vor mit Lydia Southwell plauderte. Für ein Ungeheuer hatte er einen guten Geschmack. Sie war eins der schnuckeligsten Mädchen an der Schule.
Seth fiel ein, dass er sich besser beeilen sollte, in den Unterricht zu gehen. Mr. Meyers hatte gedroht, ihn nachsitzen zu lassen, wenn er sich noch einmal verspätete.
Kendra saß schweigend da, während Dad sie zum Kino chauffierte. Sie hatte versucht, Alyssa das ganze Vorhaben auszureden. Alyssa hatte jedoch Verdacht geschöpft, dass Kendra Case im Geheimen ganz für sich wollte, und da Kendra ihrer Freundin nicht die Wahrheit sagen konnte, hatte sie das Thema fallen lassen müssen. Am Ende hatte Kendra entschieden, sich ihnen anzuschließen, weil sie zu dem Schluss gekommen war, dass sie ihre Freundinnen
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