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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Ihr Vater drehte sich zu ihr. »Bis du danach gefragt hast. Ich hab dir die Akte gegeben, weil ich dachte, vielleicht findest du was, das ich übersehen habe. Die Sache mit seiner Lebenspartnerin – sie waren nicht verheiratet – , die habe ich auch nicht überprüft, falls das deine nächste Frage ist.«
    »Ein Röntgenbild von Rosa Salbecks Zahnbefund ist gefälscht. Jemand hat das Vergleichsröntgenbild abgeschnitten und Rosa Salbecks Namen draufgeklebt.« Carina wischte sich das regennasse Gesicht. »Vielleicht wurden die beiden Schwestern auch verwechselt; die eine hatte ein makelloses Gebiss, die andere ein kariöses, hat mir ihr alter Zahnarzt gesagt. Außerdem stimmt was mit der Kleidung nicht. Der Obduzent schrieb, dass die Isartote nur mehr einen Slip anhatte, doch Luise Salbeck hat ihre Schwester auf Grund der Kleidung identifiziert.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Egal, die Akte ist weg.«
    »Weg?«
    »Es war jemand in meiner Wohnung.«
    »Was? Wann?« Ihr Vater hatte auf einmal einen ganz roten Kopf.
    »Gestern, bevor ich heimkam; ich habe den Obduktionsbericht vorgestern gelesen und die Akte in der Früh liegen lassen, bevor ich Sandro in den Kindergarten gebracht habe.«
    »Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?« Mit quietschenden Reifen wendete Matte mitten auf der Straße, was ihm lautes Hupen von anderen Fahrern einbrachte, und bretterte mit einem großen Schlenker auf den Parkstreifen der anderen Straßenseite. Carina glaubte schon, er würde sie rausschmeißen, weil sie seinen Kollegen beleidigt hatte.
    Er stellte den Motor ab, die Scheibenwischer blieben mitten auf der Scheibe stehen. »Du gehst nicht mehr in die Wohnung zurück.«
    Sie lachte trocken auf. »Das hast du nicht zu bestimmen. Gerade klang es noch ganz anders, hast du das schon vergessen?«
    Er barg sein Gesicht am Lenkrad. Tropfen klatschten auf die Scheibe, die Welt draußen verwischte.
    Die Nässe drang durch ihre rechte Jackenhälfte. Auf der Fußmatte bildete sich eine Pfütze. »Krieg ich den Zugang zur BKA -Vermisstendatei? Wenn Krallinger die DNA -Daten von Rosa abrufen kann, dann steht da vielleicht noch mehr.«
    »Nur wenn ich dein Fenster schließen darf.« Er drehte den Zündschlüssel, schaltete die Scheibenwischer ein und wollte die Scheibe hochfahren lassen.
    Der Regen prasselte aufs Autodach. Carina legte den Finger auf den Schalter und hielt sie unten. Es surrte in der Tür. »Und nach dem Besuch bei Maries Eltern will ich in die Asservatenkammer, die Akte enthielt auch eine Liste mit dem ganzen Isarmüll.«
    »Da wird nichts mehr sein. Wenn der Fall abgeschlossen ist, wird alles vernichtet.«
    »Ich dachte, es war kein Fall, sondern Selbstmord.«
    Matte ließ den Schlüssel los, bevor die Fensterelektronik durchbrannte.
    »Fahren wir?«
    Er rührte sich nicht.
    »Vielleicht täusche ich mich ja auch, und es war gar nicht dein Freund.«
    Ihr Vater stöhnte. »Lass das, Krallinger ist nicht mein Freund. Eigentlich … « Er druckste herum. »Eigentlich muss ich dir was anderes sagen. Deine Mutter … «
    Silvias Ängste oder seine, auf was wollte er hinaus? Doch sie würde es aussitzen, das hatte sie von ihm gelernt.
    »Ich sag es dir später im Präsidium.«

50.
    Wie Krähen hockte die Verwandtschaft auf alle Sitzmöglichkeiten verteilt bei Maries Eltern. Fotoalben lagen auf dem Wohnzimmertisch, man sprach mit gedämpfter Stimme. Selbst die Bewegungen – das Kaffeeeinschenken, das Abstellen der Tassen – wirkten verhalten.
    Maries Vater führte Matte und Carina in einen kahlen Raum. Mit seinen zwei Metern duckte er sich unter dem Türbogen durch, breitete die Arme im Zimmer aus. »Der ruhigste Ort momentan«, sagte er und sperrte mit dem Schließen der Tür das Gemurmel aus. »Ich mag die Stille, aber sie macht mir auch Angst, wenn ich an die Zeit nach der Beerdigung denke.«
    Carina sah sich um. Für ein Haus voller Gäste war der Raum erstaunlich leer. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, in einen schlichten Holzrahmen gefasst. Kein Koffer oder sonstige Kleidungsstücke. An der Wand eine getrocknete Rose an einer Schnur und ein Foto von drei Kindern mit je einem Punkt auf der Stirn, im Hintergrund ein schneebedeckter Berg. Annapurna stand klein darunter. Auf einem Regalbrett stützte ein marmorierter Stein eine Handbreit Bücher. Sie las die Buchrücken, Rosinkawiese, Narziss und Goldmund, Das kurze Leben der Sophie Scholl , und zog ein Gebärdenlexikon heraus. Der Name »Marie Preuss« stand vorne

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