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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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an, sie freute sich, daß Kabria mit ihnen und nicht zu ihnen gesprochen hatte.
    Vor dem Schlafengehen rief Kabria noch einmal Dina an, um sich nach Fofo zu erkundigen.
    «Sie schläft», erfuhr sie. «Tief und fest. Sie hat eine große Tasse mit Milo ausgetrunken, es hat ihr offensichtlich gut geschmeckt. Ich habe mir aber auch Mühe gegeben und viel Milo, ordentlich Zucker und jede Menge Milch reingegeben. Aber weißt du, was komisch war?»
    «Was?»
    «Aus irgendeinem Grund wollte sie nichts von Brot wissen. Sie wollte weder Teebrot noch Zuckerbrot noch Butterbrot.»
    «Nein? Naja, zumindest hat sie sich ein bißchen geöffnet und geredet. Oder?»
    «Na ja. Nicht viel, aber sie hat mir ein paar Hinweise und Namen gegeben. Ihre Mutter ist eine gewisse Maa Tsuru. Und sie erwähnte eine alte Frau namens Naa Yomo. Sie will, daß wir mit der reden. Wir besprechen morgen im Büro unser weiteres Vorgehen. Ich bin sicher, daß wir der Sache mit den Straßenkindern etwas näherkommen werden.»
    «Das glaube ich auch.»
    «Ach Kabria», fuhr Dina fort. «Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, als ich ihr das Zimmer mit dem frisch bezogenen Bett gezeigt habe. Sie hat so breit gelächelt, daß ihre aufgesprungene Lippe wieder angefangen hat zu bluten.»
    «Wirklich?»
    «Und weißt du, was sie mich noch gefragt hat? Ob ich eine Toilette hätte im Haus. Sie war ganz außer sich vor Freude, daß sie dafür nicht das Haus verlassen mußte, daß sie dafür nicht Schlange stehen mußte. Kannst du dir das vorstellen?»
    «Hmm. Wir haben wirklich keine Ahnung, was diese Kinder da auf der Straße alles durchmachen, oder?»
    «Nein, wirklich keine Ahnung.»

KAPITEL 9
     
     
     
    Es war eine der üblichen MUTE-Besprechungen. Dina hatte sich wieder einmal in Hochform geredet. «Vor drei Tagen, als Kabria Fofo begegnete und MUTE einschaltete, hatten wir alle nichts weiter im Sinn als zusätzliches Informationsmaterial für unser alternatives Dokumentationszentrum. Doch in diesen letzten drei Tagen ist viel passiert. Wir haben jetzt Teil an Fofos Schicksal, das hat diesem Fall eine neue Dimension verliehen. Bei all den Fällen, mit denen wir uns in der Vergangenheit befaßt haben, haben wir uns auf den Zweck beschränkt, für den diese Organisation einst ins Leben gerufen wurde: den alternativen Bibliotheksdienst. Wir dokumentieren für die Nachwelt Informationen, die man in einer normalen Bibliothek nicht ohne weiteres findet. Wir retten Wissen und Fakten über Menschen und Orte, die bislang nur mündlich weitergegeben wurden. So daß wir heute so unterschiedliche und unkonventionelle Daten hier haben wie den Ursprung der Namensgebung für Gegenden wie Jericho und Bethlehem in Ashaiman oder die Geschichte des sturen Mannes, der sich damals bis zur letzten Minute gegen seine Evakuierung aus Alt-Fadama während der ersten Ausbaggerung der Korle-Lagune in der ersten Republik gewehrt hat. Geschichten, die sonst allmählich verloren gehen würden, weil das Gedächtnis mit den Menschen stirbt und sechs Fuß unter der Erde verrottet. Eine befreundete Journalistin suchte einmal Informationen über die Entwicklung eines Stadtteils in Accra. Sie dachte, sie könnte diese Informationen im ‹Greater Accra Regional Office› bekommen. Aber dort war nichts. Sie wurde an das Nationalarchiv verwiesen. Man gewährte ihr einen kleinen Einblick und schickte sie weiter zur Stadtverwaltung. Die wiederum verwiesen auf ihr ‹Sub Metro Office›. Dort wurde ihr mitgeteilt, daß die entsprechenden Informationen nicht ordentlich dokumentiert seien. Einer der Angestellten kannte sich jedoch gut aus und war bereit, ihr ausführlich zu erzählen. An diesem Tag jedoch ging es ihm nicht gut, und er bat sie wiederzukommen, wenn er sich besser fühle. Das lehnte sie ab, denn sie brauchte die Informationen sofort. Also riet man ihr, es doch einmal beim Stadtplanungsamt zu versuchen. Sie folgte diesem Rat, und ihr wurde gesagt, sie solle sich doch an die Stadtverwaltung von Accra oder das Regionalbüro wenden. Sie sparte sich, ihnen zu erklären, daß sie an beiden Stellen bereits gewesen war. Statt dessen ließ sie einen verzweifelten Hilfeschrei los. Jemand vernahm diesen Ruf und schickte sie zu einer informellen, gleichwohl verläßlichen Quelle: zwei alte Damen in British Accra. Und die entpuppten sich als wandelnde Bibliotheken. Als ich diese Geschichte hörte, fragte ich mich, was wohl mit all den anderen Informationen geschehen würde, die diese beiden alten

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