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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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vollkommen zerschlissen.
    «Jetzt nehmen Sie bitte das Telefon ab», befahl er Vickie.
    Sie gehorchte.
    «Und?» fragte der Inspektor voll bitterem Hohn.
    Vickie sah Kabria mit leerem Blick an und flüsterte: «Es ist tot.»
    Sie hatten die Botschaft verstanden und wollten gehen. Doch der Inspektor war noch lange nicht fertig. «Kommen Sie mit», befahl er.
    Wie brave Lämmer folgten sie ihm an der Rezeption vorbei zur Eingangstür. Er zeigte auf den Hof und sagte: «Sehen Sie?»
    Vickie und Kabria tauschten wieder hilflose Blicke aus. Der Hof war leer. Es gab nichts zu sehen.
    «Was denn?» fragte Kabria.
    «Sehen Sie sich den Hof genau an», wiederholte der Inspektor.
    «Sehen Sie sich um.»
    «Was meinen Sie?» Das war Vickie.
    «Das fragen Sie mich?» schimpfte er. «Stellen Sie keine Fragen, sondern sagen Sie mir, was Sie sehen.»
    «Aber da ist nichts!» rief Vickie aus.
    «Ganz genau!» grinste er zynisch. «Sie haben nichts gesehen, oder? Aber was hätten Sie sehen sollen? Sollte hier nicht irgend etwas stehen?»
    «Ein Fahrzeug. Sie haben kein Fahrzeug?»
    Das zynische Grinsen des Inspektors wich einem schiefen Lächeln. «Nein. Haben wir nicht. Nicht einmal einen alten gebrauchten Tico.»
    Er wandte sich um und schlenderte zurück in sein Büro. Vickie und Kabria folgten ihm und beobachteten, wie er sich wieder auf seinem kaputten Stuhl niederließ, hinter seinem abgestoßenen Tisch. Er atmete tief durch, warf ihnen einen bohrenden Blick zu und fragte süßlich: «Und nun, wenn ich Sie das noch einmal fragen darf: Was, sagten Sie, kann ich für Sie tun?»
    Kabria und Vickie tauschten einen Blick: «Nichts.»

KAPITEL 10
     
     
     
    Es ist immer mal wieder zu lesen, daß «ein Ghanaer, der Geld hat, niemals in der Innenstadt wohnt. Und wenn, dann nur als Teil einer alteingesessenen Großfamilie». Als Vickie und Kabria sich ihren Weg durch die engen Gäßchen und baufälligen Häuser bahnten auf der Suche nach jenem Haus, in dem sie Maa Tusuru zu finden hofften, begriffen sie einmal mehr, warum. Das hier war eine Welt für sich. Überall gab es Lebensmittel-Verkaufsstände. Eine junge Frau, die sich ein Bettlaken um die Brust geknotet hatte, versuchte, ihnen unbedingt etwas zu verkaufen, als sie sie nach dem Weg fragten. «Bei mir gibt es alles», sagte sie. «Ich habe sogar Salatsoße von Heintz.»
    Reihenweise Stände mit Kenkey und gebratenem Fisch säumten die mit Schlaglöchern gepflasterten Straßen. An jeder Ecke stand ein grob zusammengezimmerter Holzverschlag, der jeden Moment umzustürzen drohte durch die Erschütterung der lauten Musik und durch die Last von schwerem Akpeteshie-Dunst. Hier und dort saßen einzelne Männer hinter alten Tischen. Vor ihnen standen Schilder, die sie als Uhr- oder Schuhmacher auswiesen. Die Abflußrinnen waren verstopft von Müll und weggeworfenen Plastiktüten. Inmitten dieses überquellenden Chaos das Haus zu finden, war ein mehr als schwieriges Unterfangen.
    «Warum fragen wir nicht da drinnen nach dem Weg?» schlug Kabria vor. Sie betraten ein blaßgrünes Compound-Haus. Es handelte sich um ein Kenkey-Haus. Eine der beiden dicken Frauen, die auf niedrigen Hockern sitzend getrocknete Maiskolben wuschen, spuckte gerade Gift und Galle.
    «Es war schon das zweite Mal, daß er sie fast bewußtlos geprügelt hat», schimpfte sie. «Beim ersten Mal hat er danach ihrer Familie erklärt, der Teufel wäre in ihn gefahren. Diesmal haben ihre Schwestern nicht abgewartet, bis er erzählt, wer ihn dazu gebracht hat. Sie haben ihn umzingelt und windelweich gehauen, und am nächsten Morgen sind sie zu ihm gegangen und haben gesagt: ‹Sorry. Das war der Teufel, er ist in uns gefahren.› Ist doch gut, oder?» Sie schütteten sich aus vor Lachen.
    Kabria und Vickie machten sich bemerkbar und unterbrachen das Gespräch. Die Frauen hörten sich Vickies Beschreibung an, und noch bevor Vickie den Namen der alten Dame erwähnen konnte, fragte die dicke Frau in Braun die andere: «Das ist doch Naa Yomos Haus?»
    «Ja, genau!» rief Vickie erfreut.
    «Suchen Sie die?» fragte die andere dicke Frau.
    «Ja. Und noch jemand anders», antwortete Kabria.
    «Dann warten Sie hier auf der Veranda. Da, nehmen Sie die Hocker. Ddeeeeei!» schrie die Frau in Braun.
    Ein etwa sechsjähriges Mädchen tauchte auf.
    «Geh und hol deine Schwester!»
    Sie lief los, und die dicke Frau in Braun sprach zu der anderen: «Hast du schon mitbekommen, daß ich heute gar keine gute Laune habe?»
    Die andere

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