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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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in der Pubertät. Damals war das anders. Und sie wurde schwanger, noch bevor Tsurus Mutter und ihre Freundinnen das Pubertätsritual an ihr vollzogen hatten. Können Sie sich das vorstellen? Also stieß Tsurus Mutter an jedem einzelnen Tag ihrer Schwangerschaft einen bösen Fluch gegen den jungen Mann aus. Mit jedem Tag wurden die Flüche bösartiger. Dann kam der Tag, an dem Tsuru in diese Welt kommen sollte. Und der Zorn der jungen Mutter gegen ihren jungen Geliebten hatte sich in Haß verwandelt. In diesem Zimmer da drüben konnte selbst der nahe Tod, der sie holen sollte im Tausch gegen das neue Leben, den Haß nicht mehr mildern. Eine sterbende Frau, die sich an die letzten Überreste des Lebens mit Haß klammerte, als ihre Zeit gekommen war. Sie fluchte noch, während sie das neue Leben herauspreßte. Sie stopften ihr ein Stück Stoff in den Mund…»
    «Hatte sie solche Schmerzen?» unterbrach Vickie gespannt.
    «Nein, deswegen haben sie ihr nicht den Mund gestopft. Sie wollten, daß sie mit dem Fluchen aufhörte. Sie wissen, wie es ist, nicht wahr?» wandte sich Naa Yomo an Kabria mit einem wissenden Lächeln. «Dieser Moment, wenn das Baby eigentlich jeden Moment rauskommen müßte und an deinem Inneren zerrt wie Tausende von Krebsen, die sich ihren Weg nach draußen mit ihren Scheren bahnen, und du dich fühlst, als würde dein Bauch von weiteren tausend tollwütigen Füchsen traktiert…»
    Kabria zuckte zusammen. Naa Yomo hielt inne. Jetzt lächelte Kabria. Und Naa Yomo erwiderte ihr Lächeln und sprach: «Siehst du, du bist zusammengezuckt. Und dann hast du gelächelt.»
    Kabria lachte laut auf: «Ja. Ja, Naa Yomo. Sie haben recht. Gott muß die Vergeßlichkeit erfunden haben wegen der Schmerzen bei der Geburt. Ich jedenfalls habe sie vergessen. Das waren jedes Mal Schmerzen, als würde das Baby jedes andere lebende Organ mit herausreißen, aber jetzt ist es vergessen.»
    Naa Yomos Lachen klang, als hätte sie es jahrelang aufbewahrt und nur auf eine Gelegenheit gewartet, es zu befreien. «All diese Schmerzen», fuhr sie fort, «und das einzige, woran Tsurus Mutter denken konnte, war der verhaßte junge Mann, der sie entehrt hatte, noch bevor sie ordentlich in ihr Frausein eingeführt worden war. Selbst der Schweiß, der ihr auf der Stirn stand, während sie das Baby herauspreßte, schien von Haß getränkt. In einem Moment schrie sie, sie müsse zur Toilette, im nächsten Moment verlangte sie ein Messer, mit dem sie ihren Bauch in Stücke schneiden wollte. Es war, als würde sie bei lebendigem Leibe aufgefressen. Und wenn Sie mich fragen, dann war es ihr Haß, der das getan hat.»
    «Was ist dann passiert?» fragte Vickie nachdenklich.
    «Die Schulter des Babys kam durch, und sie hatte den Fluch auf den Lippen. Sie schwand schon dahin, aber sie wollte nicht ohne Vermächtnis gehen. Die Nabelschnur war noch nicht abgeschnitten, als sie schrie, ihrem Liebhaber und mit ihm all seinen Nachkommen möge noch weitaus größeres Leid widerfahren als das, was er ihr angetan habe. Jemand rief, daß sie im Sterben liege. Ich schrie, man solle sie schnell noch dazu bringen, den Fluch zurückzunehmen. Doch es war zu spät. Sie lag tot da, das Kind nahm man gleich weg. Das Kind ohne Mutter und dessen Vater mitsamt seiner Sippe gerade verflucht worden war. Ein Kind, von der eigenen Mutter verflucht.»
    «Und nun glaubt man, der Fluch treibt bis heute sein Unwesen?» fragte Kabria.
    «Wer weiß? Irgend etwas hat ihr den Verstand geraubt.»
    Kabria runzelte die Stirn. «Ist sie verrückt?»
    Naa Yomo ließ sich Zeit mit der Antwort. «Sie hat ihre Seele verloren. Nur eine Frau, die keine Seele mehr hat, würde das tun, was sie getan hat.»
    «Was hat sie denn getan?» drängte Kabria.
    «Das kann ich Ihnen nicht sagen. Fofo muß es als erste erfahren. Und Tsuru muß es ihr selbst sagen. Das ist die einzige Möglichkeit, wie sie ihren Seelenfrieden wiederfinden kann.»
    Auf dem Weg zurück zum Büro bemerkte Vickie: «Sie weiß so viel.»
    «Allerdings», stimmte Kabria zu. «Wenn das, was sie im Kopf hat, mit einem Mausklick geöffnet werden könnte, könnte die George-Padmore-Bibliothek anbauen.»

KAPITEL 11
     
     
     
    Dina war zunächst verärgert, daß Vickie und Kabria nicht an Maa Tsuru herangekommen waren. Doch schließlich versuchten sie alle gemeinsam, die Enthüllungen der alten Dame nach Brauchbarem zu durchforsten.
    Fofo erholte sich gut bei Dina, aber sie hielt sich nach wie vor bedeckt. Immer, wenn Dina

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