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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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nickte.
    «Hm», fuhr die Braungewandete fort. «Während ich hier mit dir sitze, Sister, weiß ich gar nicht, ob ich nicht schon wieder schwanger bin. Er will von Kondomen nichts wissen, aber ich darf auch nichts anderes benutzen.»
    «Ach komm! Und das heutzutage? Wieso das denn?»
    «Ach, frag mich nicht, Sister. Er sagt, es wär nicht richtig. Gegen Gottes Willen.»
    «Wer hat ihm das erzählt? Ist er katholisch?»
    «Was weiß ich denn? Er geht jeden Sonntag in eine andere Kirche. Ich wollte drei Kinder. Wegen seiner Sturheit haben wir jetzt sechs. Und er will immer noch nicht… ach! Da seid ihr ja. Sisters!» Sie rief Vickie und Kabria und trug dem älteren der zwei Mädchen auf, die beiden zu Naa Yomos Haus zu begleiten.
    Kabria und Vickie folgten den Mädchen. Wieder zogen sie durch scheinbar endlose enge Gäßchen. Nach einer Viertelstunde glaubten sie schon, sie hätten sich verlaufen oder die Mädchen würden sie zu dem falschen Haus bringen. «Junge Dame», wandte sich Vickie an das ältere Mädchen. «Bist du sicher, daß du deine Mutter richtig verstanden hast?»
    «Dieses Haus kann man nicht verfehlen. Alle hier kennen Naa Yomo», war die lachende Antwort.
    Wenige Minuten später machten sie halt am Eingang eines blau gestrichenen Compound-Hauses und das Mädchen erklärte: «Wir sind da.»
    Kabria gab dem Mädchen eine Münze und verabschiedete sich. Vickie und Kabria betraten das blaue Haus. Die meisten Türen der zwölf Zimmer waren geschlossen. Jeder Eingang war zusätzlich mit einem Vorhang versehen, der jeweils Aufschluß über die wirtschaftliche Situation der Bewohner gab. Es gab feine, gute Vorhänge, die bis zum Boden reichten, verschlissene und verblichene alte Vorhänge und welche irgendwo dazwischen. Die Kinder und Tiere im Hof schenkten den beiden keine Aufmerksamkeit, und die wenigen Mütter, die zu Hause waren, gaben sich teilnahmslos. Mit einer Ausnahme.
    «Wen suchen Sie?» fragte eine krächzende Stimme.
    Sie drehten sich um und wußten sofort, daß sie es mit der berühmten Naa Yomo zu tun hatten. Kabria und Vickie stellten sich vor.
    «Und wen suchen Sie?» Naa Yomo musterte die beiden verstohlen.
    «Maa Tsuru. Fofos Mutter», entgegnete Vickie.
    «Weswegen?»
    Sie erklärten, warum sie gekommen waren und daß sich Fofo in ihrer Obhut befand. Naa Yomo bot ihnen einen Platz an und eröffnete ihnen, daß sie Maa Tsuru den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte.
    «Ist sie überhaupt da? Was meinen Sie?» fragte Kabria.
    «Wen interessiert das schon?» Naa Yomo zeigte ihre letzten Zähne.
    «Uns würde es sehr weiterhelfen», bat Vickie. Die alte Dame sah die beiden mit forschendem Blick an und zischte: «Wenn Sie mich fragen, ich glaube, sie ist da. Sie hat sich eingeschlossen. Sie haben sie nämlich gesucht.»
    «Wer sie?»
    Naa Yomo runzelte die Stirn. Durfte sie das überhaupt erzählen? Sprachen die beiden Frauen die Wahrheit? Dafür, daß sie sich um Fofo kümmerten, wußten sie eigentlich zu wenig über sie. «Haben Sie Kinder?» fragte sie plötzlich.
    Vickie und Kabria wunderten sich, warum die alte Dame ihnen nicht direkt antwortete. «Drei», erwiderte Kabria schließlich.
    «Und Sie?»
    «Keins», stammelte Vickie.
    Naa Yomos zahnloses Lächeln beruhigte sie.
    «Ich habe elf Kinder zur Welt gebracht, wissen Sie.»
    Vickie und Kabria sahen sich an. Die alte Frau würde ihnen offensichtlich die Informationen nicht auf dem Silbertablett servieren.
    «Kinder! Hm», fuhr Naa Yomo fort. «Und wissen Sie, wieviele meiner Kinder ich schon begraben habe? Fünf. Elf hat mir der Herr gegeben. Und fünf wieder genommen. Derselbe gütige Herr. Und nicht eines von ihnen habe ich auf die Straße geschickt. Und beklage ich mich wegen der fünf, die ich begraben habe? Nein! Ich danke Ihm jeden Tag. Ich danke Ihm für den Ehemann, den er mir geschenkt hat, den Vater meiner Kinder. Er war ein guter Mann. Ein guter Mann würde niemals zu seinem Kind sagen: ‹Es gibt nichts zu essen, geh auf die Straße und sieh zu, daß du Geld auftreibst.› Er würde sagen: ‹Es gibt kein Essen, also trinke ich nur viel Wasser und gehe zu Bett. Morgen ist auch noch ein Tag. Dann gehst du zur Schule, und ich sorge dafür, daß es etwas zu essen gibt, wenn du nach Hause kommst›.»
    Vickie und Kabria lauschten gespannt. Naa Yomo versorgte sie mit einer Lastwagenladung voll Informationen. Es lag jetzt an ihnen, die wenigen für sie nützlichen herauszufiltern.
    «Wo sind denn Ihre Kinder?» fragte Kabria.

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