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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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nach der zweiten Klasse mit der Schule aufgehört.»
    «Konnte die Familie deiner Mutter nicht helfen?» fragte Dina.
    Fofo verzog das Gesicht. «Hätte sie vielleicht tun können, aber hat sie nicht. Oder meine Mutter hätte um Hilfe bitten sollen. Aber wen? Ich weiß nicht. Die Kinder der meisten Familienmitglieder leben auch auf der Straße. Bei vielen ist auch der Vater abgehauen. Das Beste, was wir je von der Familie bekommen haben, waren hin und wieder Essensreste. Von Naa Yomo haben wir viel bekommen. Ihre Kinder haben ihr regelmäßig Geld gebracht. Aus denen ist was geworden, sie leben in schönen Bungalows in einer anderen Gegend.»
    Kabria fiel plötzlich ihre erste Begegnung mit Fofo ein, als Creamy im Leerlauf den Hügel hinuntergerollt war. Fofo hatte ihr etwas zugerufen und das am nächsten Tag im Auto abgestritten.
    «Baby T, deine Schwester, was macht sie jetzt? Wo ist sie?» fragte sie.
    Fofo zuckte zusammen. «Sie sagte immer, entweder du besiegst den Hunger oder er überwältigt dich.»
    Dina runzelte die Stirn. «Das hat Baby T gesagt?»
    «Das hat sie immer gesagt», antwortete Fofo. «Vor allem, wenn ich Magenkrämpfe hatte und mir schwindlig wurde. Dann dachte ich, ich müsse mich übergeben. Aber meistens hatte ich ja nichts im Magen. Also würgte ich und würgte, und am Ende tat mir nur der Hals weh. Und dann sagte Baby T immer: ‹Siehst du. Du überläßt dem Feind das Feld. Du mußt die Dinge selbst in die Hand nehmen.› Das hieß im Klartext, beschaffe dir Geld für etwas zu essen, auf welche Art auch immer. Auf die ehrliche oder die linke Tour. Betteln? Stehlen? Egal. Von ihr habe ich die Kunst des Taschendiebstahls gelernt. Sie war eine sehr gute Lehrerin.»
    «Du redest von ihr die ganze Zeit in der Vergangenheit», bemerkte Kabria.
    «Stimmt», gab Fofo zu.
    «Warum?»
    «Weil sie nicht mehr da ist.»
    «Wo ist sie denn?» Kabria wurde ungeduldig.
    Fofo runzelte die Stirn. «Woher soll ich das wissen? Im Himmel? In der Hölle? Sie war das Mädchen hinter dem blauen Kiosk. Die Leiche. Das war meine Schwester Baby T.»
    «Das hast du schon einmal gesagt, und dann hast du es widerrufen. Erinnerst du dich?»
    «Ja.»
    «Also, was stimmt jetzt?»
    «Es war Baby T.»
    «Was macht dich da so sicher?»
    «Meine Mutter hat es mir gesagt.»
    «Hat sie dir auch gesagt, woher sie es weiß?»
    «Sie haben es ihr gesagt. Sie haben Baby T umgebracht und es dann Mutter erzählt.»
    «Sie?»
    «Der böse Mann, der mich überfallen hat. Poison. Er und Maami Broni. Die dicke rote Frau, die Baby T von zu Hause weggeholt hat.»
    «Wann? Und wohin?»
    «Das ist schon lange her. Noch bevor ich ausgezogen bin. Baby T ist mit ihr gegangen, um bei ihr zu leben. Mutter wollte nicht mehr mit Baby T zusammenleben.»
    «Warum nicht?»
    «Weil etwas passiert ist. Etwas sehr Schlimmes. Ich weiß nicht alles, also kann ich es Ihnen auch nicht erzählen. Alles, was ich weiß, ist, daß ich sehr unglücklich war, als Baby T fortgebracht worden war. Ich fragte mich, ob mir das auch blühen würde. Es brauchte nur irgend etwas zu passieren, und Mutter würde versuchen, mich auch loszuwerden. Und was dann? Was wäre, wenn sie mich auch von Maami Broni abholen lassen würde? Ich mochte die nicht. Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Zeit verbrachte ich auf der Straße. Und je länger ich auf der Straße war, desto besser gefiel es mir da.»
    «Es gefiel dir? Was gefiel dir denn an diesem Leben? Was außer Unbequemlichkeit hast du da gefunden?» empörte sich Kabria.
    Fofo kicherte. «Ich habe mein eigenes Leben geführt. Das alleine war schon cool. Auf der Straße hatte mir niemand etwas zu sagen. Ich hatte Spaß. Für den Spaß nahm ich die Unbequemlichkeit in Kauf. Ich konnte schlafen gehen, wann ich wollte. Ich konnte mir im Videocenter jeden Film ansehen, den ich wollte. Das Geld, das ich einnahm, konnte ich allein für mich behalten. Alles. Und ausgeben soviel und wofür ich wollte. Vorher nahm mir meine Mutter das ganze Geld weg. Verstehen Sie? Sobald ich eine Freundin gefunden und mich einer Bande angeschlossen hatte, bin ich ganz von zu Hause weggeblieben.»
    «Wo war denn diese Freundin, als sie dich auf dem Marktplatz zusammengeschlagen haben?» fragte Kabria.
    Fofo war der Sarkasmus in dieser Frage nicht entgangen. Sie lachte. «Jedenfalls wurde ich nur erwischt, weil wir uns an diesem Morgen getrennt hatten. Wenn wir zusammengeblieben wären, hätten Sie bis heute Ihre Geldbörse nicht

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