Die Gesichtslosen
etwas von ihr wissen wollte, wendete Fofo sich ab und fragte nach Kabria.
Aggie überlegte laut, ob Fofo sich gegenüber Kabria vielleicht mehr öffnen würde.
«Willst du damit sagen, Kabria hätte sie mit zu sich nach Hause nehmen sollen?» fragte Vickie.
«Das steht überhaupt nicht zur Debatte! Und es kommt auch gar nicht in Frage! Kabria lebt schließlich nicht allein, so wie ich. Daß Fofo bei mir wohnt, beeinträchtigt und stört niemanden sonst. Bei Kabria ist das anders. Sie hat Familie. Ich kann ihr nicht einfach so ‹Arbeit› mit nach Hause geben. Um sich um Fofo zu kümmern, dazu braucht man Extrakraft. Ich frage mich, wo Kabria diese hernehmen soll, wenn sie sich gleichzeitig noch um Kinder, Essen und Ehemann kümmern muß. Wir sollten nicht, indem wir ein Problem zu lösen versuchen, ein zusätzliches schaffen.»
«Und was sollen wir machen?» gab Aggie zu bedenken.
«Schlußendlich müssen wir mit renommierten Organisationen wie ‹Kinder-in-Not› oder ‹Straßenmädchen-Hilfe› Kontakt aufnehmen. Bevor wir Fofo gehen lassen, müssen wir aber sicherstellen, daß ihr nichts zustößt. Wir können unseren Teil leisten, indem wir sie adoptieren und finanziell unterstützen und das alles, aber vorher müssen wir die losen Enden zusammenbringen. Wir stecken schon viel zu tief drin, als daß wir jetzt all die offenen Fragen einfach ignorieren könnten.»
«Was hat Harvest FM eigentlich vor?» wollte Aggie von Dina wissen.
«Oh, die helfen uns auf ihre Weise. Sylv Po wird das Straßenkinderphänomen erneut in seiner Guten-Morgen-Ghana-Show diskutieren.»
Kabria hatte das Gefühl, als würde sich alles um sie herum drehen. «Was kann ich dann tun? Was soll ich tun?»
«Es wäre sehr hilfreich, wenn du mit Fofo sprechen würdest.»
«Morgen?»
«Ich würde es besser finden, du tätest es gleich heute. Dann können wir eventuell Harvest FM und Sylv Po mit zusätzlichen Informationen versorgen.»
«Doch wer sagt, daß sie sich mir gegenüber öffnet?» überlegte Kabria.
«Da bin ich mir sicher. Doch ich hake nochmals nach, wenn ich nach Hause komme. Dann sage ich dir Bescheid, ob du kommen sollst oder nicht.»
«Gut, ich hole meine Kinder ab, bringe sie nach Hause, sehe dort kurz nach dem Rechten und warte auf deinen Anruf.»
«Falls Fofo mit dir reden will und du zu Dina fährst, willst du dann Creamy nehmen?» sorgte sich Vickie. «Ist das nicht ein bißchen riskant, nachts allein mit ihm herumzufahren? Wir reden von heute abend, nach 19 Uhr. Das ist dir doch klar, oder?»
Kabria nickte.
«Warum nimmst du nicht ein Taxi? Ich bringe dich dann nach Hause», schlug Dina vor.
Auch damit war Kabria einverstanden.
Auf dem Rückweg von der Schule sagte Kabria: «Obea, heute werde ich etwas tun, was ich noch nie zuvor gemacht habe. Ich gehe heute abend weg, zu Auntie Dina.»
«Warum?» riefen alle gleichzeitig erschrocken aus.
«Wir haben etwas wegen Fofo zu erledigen.»
«Ist Fofo das Straßenmädchen?» fragte Essie nach.
«Ja.»
«Wohnt sie immer noch bei Auntie Dina?»
«Ja. Und dort wird sie auch bleiben, bis sie sich erholt hat und wir eine Lösung gefunden haben.»
«Und was müßt ihr machen mit ihr?» fragte Ottu.
«Sie hat bisher nicht viel gesagt, und alle glauben, daß sie vielleicht mit mir redet.»
«Und was ist mit Dad?» zeigte sich Ottu besorgt.
«Wie meinst du das?»
«Dann bist du ja gar nicht zu Hause, wenn er von der Arbeit kommt.»
«Ja. Höchstwahrscheinlich.»
«Und was passiert dann?»
«Nichts, Ottu. Was soll denn passieren?»
Essie schien ihre Gedanken zu lesen, denn sie erklärte: «Mum, das geht schon in Ordnung. Du kannst gehen. Wenn Dad kommt und wir brauchen etwas, dann sagen wir ihm, er soll so tun, als wäre er du.»
Kabria lachte. Mein Träumerchen hat gesprochen, sagte sie sich. Aber was ist, wenn Dad etwas braucht, was Mum sonst immer für ihn erledigte? Wer würde dann so tun, als wäre er Mum und es für Dad tun? Dieser Gedanke amüsierte sie, und sie mußte lachen, selbst die Kinder wurden davon angesteckt, und so lachten sie alle, ohne genau zu wissen, worüber eigentlich.
Als sie nach Hause kamen, klingelte bereits das Telefon. Es war Dina. «Sie wartet schon auf dich!» erklärte sie nur. Und fügte hinzu: «Das hätte uns tatsächlich schon früher einfallen können. Sie freut sich regelrecht auf dich.»
KAPITEL 12
Wenn eine Spielernatur etwas gewinnen will, sollte sie bei einer Wette besser darauf setzen, wann sich eine
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