Die Gespenstergruft
– oder doch?
Er fühlte seine Unsicherheit, aber sein Gefühl sagte ihm, es nicht mit einem Gruftie zu tun zu haben. Der Typ war zwar in eine dunkle Kleidung eingepackt, doch auch sein Gesicht war dunkel und glänzte an den Wangen wie schwarzes Fett. Trotzdem ging Suko davon aus, daß es keine Schminke war, mit der das Gesicht beschmiert worden war. Das erinnerte ihn eher an eine Maske.
Er spürte die Feindseligkeit des anderen sehr deutlich. Sie strömte ihm entgegen wie ein kalter Nebel, doch auf diese Kälte hätte Suko gern verzichtet.
War das ein Mensch?
Er sah zumindest so aus, doch da hatte der Inspektor auch schon Dinge erlebt, die ihm normalerweise die Haare hätten zu Berge stehen lassen.
Er ging langsam weiter. Dabei hatte er den Eindruck, genau nach den Anweisungen eines Regisseurs zu handeln.
Der andere erwartete ihn.
Dünnes, schwarzes Leder umschloß seine Gestalt. Die linke Hand hatte er auf das Dach des Ford gelegt, und Suko, der wissen wollte, was lief, benahm sich so wie ein Spießer.
»He, das ist mein Wagen!«
Der andere nahm die Hand weg, ging auch zur Seite, schuf Distanz zwischen sich und dem Fahrzeug.
Damit lenkte er Suko ab, so daß dieser den zweiten Mann erst viel zu spät entdeckte. Der Kerl glich dem ersten aufs Haar, und er lief mit langen Schritten dem Home der Grufties entgegen.
Das wirkte wie inszeniert, wie abgesprochen. Suko dachte an seinen Freund, der gar nicht ahnte, was möglicherweise auf ihn zukommen würde, und Suko beschloß, ihn zu warnen.
Er ging schneller. War gleichzeitig gespannt darauf, wie der Typ am Wagen reagieren würde.
Der ließ ihn kommen.
Gleichzeitig war der zweite Kerl nur wenige Schritte vom Eingang des Gruftie-Homes entfernt. Er würde hineinstürmen und…
Suko rief ihm etwas zu.
Der Mann stoppte. Er drehte dabei den Kopf, um den Chinesen erkennen zu können.
Das nahm der erste sofort wahr. Er freute sich über die Ablenkung, sein Arm fuhr um den Körper herum nach hinten, wo er etwas aus dem Gürtel hervorzog, das lang, gewellt und spitz aus seiner Faust hervorstach.
Suko wußte im ersten Moment nicht, was es war. Es sah aus wie ein Messer, da irrte er sich.
Aus der Faust fauchte es auf.
Eine Flamme zuckte hervor.
Spitz und zuckend…
Und plötzlich griff der Typ an. Das war genau der Augenblick, wo das Home von innen her geöffnet wurde und John Sinclair die alte Baracke verließ…
***
Ich war völlig überrascht worden. Dieser Angriff kam praktisch einem Todesurteil gleich. Er war so überraschend und schnell geführt worden, daß ich es nicht mehr schaffte, mich zur Seite zu werfen, um dem tödlichen Stoß zu entgehen. Er war auf meine Brust gezielt, und er erwischte mich auch.
Ich hörte ein häßliches Lachen, schaute nach oben und starrte in ein weit geöffnetes Maul, das zu einem schwarzen Gesicht gehörte. Es war wohl der letzte Eindruck in meinem Leben, und ich wunderte mich, so etwas mit hinüber ins Jenseits zu nehmen.
Dann passierte ein Wunder.
Es begann mit einem Schrei.
Den aber hatte nicht ich ausgestoßen, sondern die Gestalt mit dem Flammendolch. Die Waffe hatte mich erwischt, aber sie war nicht durch die Kleidung in meinen Körper gedrungen, sondern hatte sich verändert und war zu einem zuckenden Fleck geworden, der über meine Brust hinwegtanzte, aber nicht hineindrang.
Warum nicht?
Ich merkte es im nächsten Augenblick, denn nicht das Feuer brachte die Hitze, sondern mein Kreuz, das sich blitzschnell auf die neue Lage eingestellt hatte.
Es hatte eine radikale Gegenmagie gebildet und die Flamme nicht nur verändert. Es war ihr auch gelungen, sie und den Dolch zurückzutreiben, samt ihres Halters, denn der Schwarzgekleidete taumelte vor mir zurück.
Er bewegte sich wie jemand, der die Kontrolle über sich selbst verloren hatte. Es war ein Wunder, daß er sich noch auf den Beinen hielt, da er von einer Seite zur anderen taumelte und nicht mehr Herr über seinen eigenen Flammendolch war.
Das Feuer hatte sich selbständig gemacht. Es zeigte mit seiner Spitze nicht mehr nach unten, sondern hatte sich um einhundertachtzig Grad gedreht, denn nun huschte die Flamme an seinem Arm entlang in Richtung Schulter und wurde immer länger.
Sie war stärker als er, auch wenn er den Arm einige Male schüttelte, ohne daß er es schaffte, den Dolch loszulassen. Ich brauchte nichts zu tun, nur zu schauen.
Er gurgelte, als hätte er Wasser verschluckt. Der Mund stand weit offen, und er war für die Flamme das einzige
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