Die gestohlene Zeit
Frank bitter. Er war nach wie vor Udos Handlanger, der Trottel, der die Drecksarbeit machen durfte, für die sein Kumpan zu faul oder sich zu fein war. Und das war jetzt dabei rausgekommen, dachte Frank und blickte an sich herunter. Ich sollte wirklich die verdammte Tür eintreten.
In dem Moment wurde sie von innen aufgerissen, und er sprang mit dem dünnen Quieken einer erschrockenen Maus zurück. Udo stand im Türrahmen, und seine wässrig-blauen Augen in dem feisten Gesicht glitten an Franks kläglicher Gestalt in Billigklamotten hinab und blieben an seiner Hose hängen, die am Knie zerrissen war.
»Bist du schon am frühen Nachmittag wieder besoffen?«, fragte Udo verächtlich und schnüffelte probehalber.
»Quatsch«, gab Frank heftig zurück und hoffte, das Pfefferminzbonbon, das er vor einer halben Stunde eingeworfen hatte, hätte seine Wirkung noch nicht verloren. »Meine kaputte Hose verdanke ich dir! Hättest du mich nicht zu diesem Assi geschickt, um ihn an seine Zahlungsfrist zu erinnern, wäre die jetzt noch heil!«
»Du solltest freundlich mit ihm reden und dich nicht mit ihm prügeln«, gab Udo gleichmütig zur Antwort, obwohl er garantiert genau gewusst hatte, wie Manni reagieren würde, wenn jemand auftauchte, der ihn an seine Schulden bei Udo erinnerte. Eine nie gekannte Wut brodelte in Frank hoch. »Weißt du was, Udo? Mach deinen Scheiß in Zukunft alleine! Ich habe echt keine Lust mehr, deinen Schirmträger zu spielen«, fuhr er seinen Kumpel an.
Der zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Ach nee! Tja, wie schade. Aber dann kann ich dich auch leider nicht mehr beschützen, Frank!«
»Beschützen, wovor denn?«, fragte der, wobei seine Stimme unwillkürlich zitterte. Udo hörte es, und sein Grinsen verstärkte sich.
»Du weißt doch sicher noch, wer dich damals vor den Bullen gerettet hat, nicht wahr?«, raunte er verschwörerisch. »Und wer dafür sorgt, dass du immer genügend Kohle für deine kleinen Kneipenausflüge hast. Wenn ich nicht mehr da bin, kann es sein, dass die Polizei den Fall Emilia Wiltenberg neu aufrollt. Und möglicherweise erinnert sich plötzlich jemand, dich mit ihr dort oben im Gebirge gesehen zu haben. Tja, und dann …« Udo sprach nicht weiter, aber das war auch nicht mehr nötig. Die Drohung war auch so deutlich genug.
Eine große Müdigkeit überkam Frank, und er sehnte sich plötzlich nach einem Glas, halb voll mit kaltem, klarem Wodka. Auf Eis.
»Schon gut, Udo«, sagte er resigniert, »vergiss es.«
Der musterte ihn wohlwollend. »Na also! Wusste ich es doch, du kommst wieder zur Vernunft. Hier«, damit griff er in seine Hosentasche und zog einen grünen Schein hervor. Frank traten fast die Augen aus den Höhlen, und er begann automatisch zu rechnen, wie viele Herrengedecke er dafür bekommen konnte. Gierig schnappte er nach dem Geld, doch im letzten Moment zog Udo es weg, und Franks Finger griffen ins Leere.
»Du kennst die Bedingung«, mahnte Udo.
Frank nickte matt. »Von mir erfährt keiner was«, sagte er, und als er zum zweiten Mal zugriff, ließ Udo es zu.
Während er den knisternden Schein in seine zerrissene Jeans stopfte, musterte er Udos Gesicht, das vor Selbstzufriedenheit glänzte wie eine Speckschwarte.
»Irgendwann kriege ich diesen Ring in die Finger«, dachte Frank grimmig. »Und dann bin ich am Zug!«
Wortlos drehte er sich um und ging. Irgendwann, dachte er. Aber jetzt wartete erst mal der Wodka.
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Kapitel 8
S o, da wären wir«, sagte der Grauhaarige freundlich. Nach mehreren Stunden Marsch war der Weg immer weniger steil abgefallen und zum Schluss schnurgerade verlaufen. Wir waren ein Stück durch den Wald gegangen, und nun öffnete sich der Pfad vor uns in eine ebene Fläche, auf der mehrere Autos standen. Wir hatten den Wanderparkplatz erreicht. Am liebsten hätte ich einen Freudenschrei ausgestoßen, den man bis in Laurins elende Felsenhöhle hörte, so erleichtert war ich. Nicht so Jonathan. Er war abrupt stehen geblieben und musterte fassungslos das halbe Dutzend geparkter Wagen.
»Was ist
das
?«, stammelte er. Natürlich hatte er auch noch nie im Leben ein Auto gesehen, fiel mir siedend heiß ein. Zu seiner Zeit waren Pferde und Kutschen das gängige Fortbewegungsmittel. Ich suchte nach Worten, da versetzte ihm der Bärtige mit seiner kräftigen Pranke einen wohlwollenden Schlag auf die Schulter, der Jonathan ein Stück vornüberkippen ließ.
»Das nenne ich mal einen jungen Mann mit Geschmack«, dröhnte der
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