Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
freizugeben.
    Doch als Prickett sich zur Seite wandte, konnte Jonas einen kurzen Blick in sein Gesicht werfen. Er hatte die Zähne zusammengebissen und seine Augen waren so schmal, dass sie fast geschlossen waren.
    Er will Hudson auf keinen Fall oben im Krähennest haben, dachte Jonas. Warum nicht? Gibt es irgendetwas an dieser Passage, das Hudson nicht sehen soll? Oder   … weiß er, dass dort oben Aufzeichnungen sind, in denen steht, dass er ein Gauner ist, und er will nicht, dass Hudson sie findet?
    Sollte er »He, Dad, schau mal unterm Segeltuch nach, wenn du oben ankommst!« rufen oder etwasÄhnliches, das sich ein bisschen mehr nach 1611 anhörte?
    Oder würde das lediglich den Anschein erwecken, als sei er, Jonas, derjenige, der diese Dokumente verfasst und versteckt hatte?
    Prickett starrte Jonas mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    Er weiß, dass ich überlege, was ich tun soll, dachte Jonas.
    Prickett erinnerte ihn an jemanden. Aber an wen?, fragte er sich. Wie viele Menschen mit solchen Schrunden und Pockennarben kenne ich? Und diese langen, strähnigen Haare   … Es muss jemand sein, der mir beim Reisen durch die Zeit begegnet ist.
    Dann wurde ihm klar, dass das nicht stimmte. Es war sein alter Freund von zu Hause, Billy Rivoli, der so gerne Stratego und Schach spielte. Körperlich hatte Billy nicht die geringste Ähnlichkeit mit Prickett. Billys schwarzes Haar war kurz und dick, er trug eine Zahnspange und war ein wenig pummelig, weil er gern den ganzen Tag herumsaß und Oreo-Kekse aß. Aber er hatte die Angewohnheit, immer die Augenbrauen hochzuziehen, wenn er vorhatte, Jonas beim Schach- oder Strategospielen hereinzulegen. Die hochgezogenen Augenbrauen bedeuteten: Ha, ha, ha. Meinen brillanten Plan errätst du nie. Gib es auf! Du hast schon verloren!
    Und das stimmte fast immer, weil die gewölbtenBrauen Jonas so wütend machten, dass er regelmäßig einen dummen Fehler beging. Und dann verlor.
    Auch Pricketts hochgezogene Brauen machten Jonas wütend.
    »Vater?«, rief er Hudson zu.
    Dieser drehte sich um.
    »Ja, mein Sohn?«, sagte er misstrauisch.
    Jonas erhaschte einen Blick in Pricketts Gesicht, obwohl dieser sich abwandte.
    Er
strahlte.
Offensichtlich glaubte er, Jonas wäre im Begriff, einen Riesenfehler zu machen.
    »Nimm dich bloß   … in den Wanten in Acht«, sagte Jonas schnell. »Oben am Krähennest sind die Leinen immer noch vereist.«
    »Danke, mein Sohn«, sagte Hudson.
    Hudsons Stimme ließ nicht erkennen, ob er für die Warnung dankbar war oder ob er sich ärgerte, dass Jonas so tat, als könnte er nicht einmal in die Takelage aufentern, ohne auszurutschen. Jonas wusste von seinen eigenen Eltern, dass Erwachsene es nicht mochten, wenn man tat, als wären sie für bestimmte Dinge zu alt. Doch als er Prickett wieder ins Gesicht sah, kam er zu dem Schluss, dass er das Richtige getan hatte.
    Jetzt sah Prickett wütend aus.

Fünfundzwanzig
    Während Jonas weiter an den Pranger gefesselt war, nahm das Leben an Bord seinen Lauf. Katherine schlich sich abermals unter Deck, um nach Botschaften zu suchen. Hudson enterte ins Krähennest auf und wieder ab. Matrosen hissten die Segel oder holten sie wieder ein, je nach Wind. Hudson beriet sich mit Prickett, mit King und mit anderen. Am späten Nachmittag sah Jonas sogar Staffe für ein kurzes Gespräch in Hudsons Kajüte spazieren.
    Als er wieder herauskam, warf er nicht einmal einen Blick in Jonas’ Richtung.
    Also schön. Das ist verletzend. Aber was soll’s, sagte sich Jonas. Ich habe größere Probleme, über die ich mir den Kopf zerbrechen muss. Die Zeit zu retten zum Beispiel. Und Andrea. Werde ich sie jemals wiedersehen?
    Jonas schaffte es, sich eine Weile mit dem Gedanken daran abzulenken, wie hübsch Andrea war, mit ihren grauen Augen, den langen braunen Haaren und ihrer Zerbrechlichkeit.
    Sie war nicht so zerbrechlich, wie sie aussah, machte er sich klar.
    Wieder und wieder hatte er auf seinen Reisen durch die Zeit festgestellt, dass Dinge oft nicht waren, was sie zu sein schienen.
    Dann werde ich also hier, im Jahr 1611, herausfinden, dass Prickett der Gute ist und Staffe es klammheimlich auf mich abgesehen hat?, fragte sich Jonas.
    Er schüttelte den Kopf. Auch wenn ihn vieles verwirrte, weigerte er sich zu glauben, dass die Welt so durcheinandergeraten sein könnte.
    Dann bemerkte er, dass Henry Hudson aus seiner Kajüte gekommen war, während er in Gedanken abgedriftet war. Der Kapitän ließ den Blick schweifen und steuerte

Weitere Kostenlose Bücher