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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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plötzlich verstand Jonas, warum esIkau keine Angst machte, dass er als Einzelner mehr als zwanzig Engländern gegenüberstand.
    Er sieht, wie krank die Männer sind. Wahrscheinlich ist er überzeugt, es mit der gesamten Mannschaft aufnehmen zu können, dachte Jonas. Und wahrscheinlich würde das sogar stimmen, wenn das Gewehr nicht wäre.
    »Dieser Fluss war nicht hier!«, sagte Ikau. »Nicht zu Zeiten meines Vaters oder des Vaters meines Vaters oder des Vaters des Vaters meines Vaters. Er war noch nicht hier, als ich das letzte Mal hier vorbeikam! Wer hat ihn hierhergebracht? Ihr? Mit eurem schwimmenden Berg aus Holz? Oder habt ihr ihn genauso vorgefunden wie ich? Wer kann Felsen, Erde, Eis und Bäume wegtragen und einen Krater hinterlassen, den das Wasser füllt?«
    »Wie?«, brach es aus Jonas heraus. »Was meinen Sie damit, dass der Fluss vorher noch nicht da war?«
    Alle sahen ihn an.
    Oje, dachte Jonas. Habe ich etwa versehentlich in Ikaus Sprache gesprochen?
    Die erstaunten Gesichter um ihn herum ließen das vermuten. Er hatte nicht gewusst, dass sich die Übersetzungsspritzen auch auf die Sprache auswirkten und nicht nur auf das Hörverstehen. Allerdings hatte er bislang auch noch keinen Grund gehabt, es auszuprobieren.
    Ikau sah ebenso erstaunt aus wie alle anderen. Errichtete die Harpune auf die Seeleute neben sich und trat näher an Jonas heran.
    »Ihr wisst nichts über den Fluss?«, fragte er, wobei sich zwischen seinen buschigen Augenbrauen eine Falte bildete. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen erfassten das Gestell des Prangers, das Jonas festhielt. »Du sprichst meine Sprache   – und sie halten dich gefangen?«
    »Mehr oder weniger«, sagte Jonas. »Das ist eine ziemlich lange Geschichte.«
    Ikau blickte sich um: Er sah von Jonas am Pranger zu Hudson mit seiner überheblichen Pose, den knochendürren Seeleuten bis hin zu John King, der weiter das Gewehr auf ihn gerichtet hielt.
    Dann sauste er wie ein geölter Blitz davon und kletterte über die Reling. Eine Sekunde später hörte Jonas das gedämpfte Platschen eines Ruders, das durchs Wasser hastete.
    »Erschießt ihn!«, befahl Hudson. »Er entkommt! Vielleicht hat er etwas gestohlen! Oder er kommt mit einem Trupp Krieger zurück!«
    King schoss, schüttelte den Kopf und versuchte es wieder und wieder. Schließlich legte Hudson ihm die Hand auf den Arm.
    »Haltet ein«, sagte er. »Er ist zu weit weg.«
    Jonas atmete erleichtert auf.
    Dann drehte sich Hudson zu Jonas um.
    »Mir scheint, mein Sohn hat seine Talente vor mirverborgen«, sagte er. »Ich wusste nicht, dass er es vermag, die Sprache der Wilden zu sprechen.«
    »Ich habe   … nebenbei   … ein wenig geübt«, murmelte Jonas.
    »Dann rede«, befahl Hudson und starrte wütend auf ihn herab. »Was hat der Wilde dir enthüllt?«

Vierundzwanzig
    Jonas suchte Katherine in der Menge. Bestimmt hatte sie den Aufruhr an Deck gehört und war die Treppe heraufgerannt, um zu sehen, was vor sich ging   – und bestimmt hatte sie eine bessere Idee als er, was er sagen sollte.
    Doch als er ihr durchsichtiges Gesicht für einen kurzen Moment hinter einer Schar Seeleute entdeckte, wirkte sie ebenso besorgt und verwirrt, wie Jonas sich fühlte.
    »Äh«, setzte er an, nagte an der Unterlippe und überlegte fieberhaft, was er als Nächstes sagen sollte.
    »Auch ich verstehe mich ein wenig auf die Sprache der Wilden«, sagte Prickett und trat zwischen ihn und den Kapitän. »Der Junge hat nur herumgestottert.« Prickett gab ein kurzes, verächtliches Lachen von sich. »Meiner Auffassung nach hat der Wilde gesagt, dass der Fluss sich über viele Meilen erstreckt, bis er sich in ein großes Meer ergießt, das niemand aus seinem Volk bisher bereist hat. Ist es nicht so, Junge?«
    Prickett drehte sich zu Jonas um. Der machte denMund auf, doch Prickett wandte ihm bereits wieder den Rücken zu.
    »Aber was sage ich?«, murmelte Prickett achselzuckend. »Er wird doch nur lügen. Warum ihn erst fragen?«
    Jonas brannte das Gesicht.
    »Kommt«, sagte Prickett und nahm Hudson am Arm. »Ist das nicht Grund genug, um weiterzufeiern?«
    Doch Hudson entzog ihm seinen Arm.
    »Ich wünsche die Ausdehnung dieser Passage mit eigenen Augen zu sehen«, sagte er. »
Ich
werde den Ausguck im Krähennest übernehmen.«
    »Aber Sir, Euer schlimmes Knie«, wandte Prickett ein.
    »So schlimm ist es nicht«, sagte Hudson.
    »Wie Ihr wünscht, Sir«, sagte Prickett und trat zurück, um Hudson den Weg zu den Wanten

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