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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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früher rauslassen?«, fragte Jonas. »Mir zum Beispiel den Rest wegenguter Führung erlassen? Oder   – für die Demonstration von Reife?«
    Hudson sah sich um, als sei ihm plötzlich der Seemann mit dem gesplissenen Tau wieder eingefallen oder die anderen Männer, die sich auf dem Schiff zusammenscharten; alle, die Jonas’ Worte mit angehört haben konnten, selbst wenn ihnen das Geflüster und Gemurmel entgangen war.
    Der Seemann mit dem Tau machte Anstalten, das Ende mit einer Axt abzuhacken. Der Schlag ließ Jonas zusammenzucken.
    »Natürlich kann ich dich nicht früher herauslassen«, sagte Hudson ungerührt. »Ich führe ein strenges Regiment. Du bleibst bis zum morgigen Sonnenuntergang am Pranger   – keine Minute mehr und keine weniger.«
    Es gibt noch etwas, das anders ist, als es scheint, dachte Jonas. Henry Hudson behandelt seinen Sohn privat ganz anders als vor Zuhörern.
    Aber was hatte das mit der Karte zu tun? Und zu was, um alles in der Welt, hatte sich der echte John Hudson »freiwillig« gemeldet?

Sechsundzwanzig
    Die Stunden vergingen. Ein Besatzungsmitglied, das Jonas bisher noch nicht aufgefallen war, brachte ihm einen harten Kanten Brot und eine Flasche mit abgestandenem Wasser. Jonas stellte fest, dass er Essen und Wasser hinunterschlucken konnte, ohne zu würgen, wenn er an etwas anderes dachte   – an die Anordnung der Tische im Mathematikraum seiner Schule zum Beispiel oder an die Art und Weise, wie Andrea sich beim letzten Mal von ihm verabschiedet hatte.
    Kurz vor Anbruch der Dämmerung kam Katherine an Deck und blieb in seiner Nähe. Jonas winkte sie zu sich und formte lautlos mit den Lippen:
Ich muss dir was sagen!
Doch sie schüttelte den Kopf und deutete auf die vielen Männer, die überall herumstanden.
    Später
, erwiderte sie stumm und fügte noch etwas hinzu:
Wenn sie weg sind
vielleicht? Dann folgte eine lange, tonlose Erläuterung, von der Jonas nicht das Geringste verstand.
    Wenn wir jemals aus 1611 herauskommen, dachteer, lerne ich auf jeden Fall Lippenlesen, ehe ich wieder auf Zeitreise gehe!
    Katherine verschwand wieder im Niedergang.
    Jonas stampfte mit den Füßen.
    »Ts, ts, was für ein launisches Gebaren«, sagte Prickett, der in der Nähe herumlungerte. »Macht die Strafe dich allmählich mürbe?«
    Jonas wünschte, er hätte sich besser umgesehen, bevor er losstampfte.
    »Nein«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich verschaffe mir nur ein bisschen Bewegung.« Doch in Anbetracht von Pricketts widerlichem Feixen schien ihm das nicht genug zu sein, daher fügte er hinzu: »Außerdem haben Sie mich eher belohnt, wenn man richtig darüber nachdenkt. Das erspart mir schließlich zwei Tage Arbeit.«
    Prickett fixierte ihn mit festem Blick.
    »In der Tat«, sagte er. »Ich werde das beherzigen, wenn ich deinem Vater das nächste Mal rate, dich zu bestrafen.«
    Er wandte sich ab und folgte Katherine den Niedergang hinab.
    Das war das Schreckliche daran, am Pranger zu stehen: Die Leute konnten einfach davongehen, selbst wenn man noch gar nicht mit ihnen fertig war.
    Jonas widerstand dem Drang, erneut aufzustampfen.
    Die Seeleute rollten ihre Taue auf, verzurrten die Segel und verschwanden unter Deck.
    Katherine kam nicht zurück.
    Die Sonne versank hinter dem Horizont und um Jonas herum wurde es immer dunkler.
    Straßenlampen, dachte Jonas und zählte im Geiste auf, was er aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert vermisste. Taschenlampen. Selbst die winzigen leuchtenden Handy-Displays   …
    Das Pfadfinderlager, das er zu Hause immer besucht hatte, lag eigentlich mitten im Nirgendwo, doch selbst dort hatten er und seine Freunde jede Nacht den Lichtschein des nächsten Vorortes sehen können.
    Die Dunkelheit, die sich heute Nacht auf das Schiff senkte, würde allumfassend sein.
    Jonas hörte Schritte und sah ein Licht auf sich zukommen. Es war verblüffend, wie sehr ihn dieser Anblick aufmunterte.
    »Katherine?«, flüsterte er ungeduldig in die Finsternis. Er wusste, dass er ihr raten sollte, das Licht auszublasen, aber   … vielleicht war es nicht so schlimm, wenn es ein oder zwei Minuten länger brannte?
    »Katherine?«, wiederholte eine tiefe Stimme. »Ist das der Name des Mädchens auf dem Bild, von dem du träumst?«
    Das Windlicht kam näher und Jonas sah, dass Staffe es in der Hand hielt.
    »Nein, nein«, murmelte er verlegen. Es würde doch sicher nicht schaden, sich hierbei an die Wahrheit zuhalten? »Katherine ist meine Schwester. Ich habe   … nur

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