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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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wieder.
    “ Um Himmels willen!”, stieß sie hervor. Die Köpfe der Männer fuhren zu ihr herum, und vor Schreck schlug sie die Hand vor den Mund. Die Kämpfer wirkten aufs Höchste erregt. War sie verrückt geworden, sich hier einzumischen? Doch zu ihrem Erstaunen rückten beide ihre Kopfreifen gerade und rannten zu der Stelle zurück, wo sie die Waffen hatten fallen lassen. Schließlich standen beide in strammer Haltung auf dem Flur, als hätte es nie einen Kampf gegeben.
    Da beobachtete Anna, dass der Schurz des schwarzen Hünen, den sie kannte, langsam über die Hüften nach unten rutschte – er war wohl während es Kampfes zerrissen. Der Wächter ließ den Speer fahren und griff mit beiden Händen nach den losen Enden des Kleidungsstückes. Der Speer schlug gegen die Schulter des Gefährten, der den Hilflosen fassungslos anstarrte und gleich darauf in so schallendes Gelächter ausbrach, dass die makellosen Zahnreihen in dem aufgerissenen Mund blitzten.
    “M´Ba, hahaha, M´Ba!” , schrie er.
    Verzweifelt wollte d er Unglückliche die Enden seines Schurzes zusammenknoten, aber sie waren zu kurz. Wütend stieß er kehlige Worte aus - eindeutig lästerliche Flüche. Darauf versuchte er, die zerrissenen Teile mit einer Hand festzuhalten und mit der anderen den Speer zu packen. Doch wie sehr er sich auch abmühte, sobald er mit einer Hand den Griff lockerte, rutschte der Schurz auf der anderen Seite über die Oberschenkel hinunter. Anna eilte auf den Wächter zu - vielleicht konnte sie ihm helfen. Doch der verdrehte nur die Augen.
    “Weg. Du weg!” , zischte er.
    Anna hob beschwichtigend die Hände. “Ich kann nähen, soll ich helfen?” Sie vollführte mit den Händen die Bewegung von Nadel und Faden.
    “Du Frau. Du weg !”, stieß er hervor.
    Endlich verstand sie. Natürlich, es war ihm peinlich.
    “Warte!”, rief sie, wandte sich um und drückte die Türklinke.
     
    Meister Spierl hatte gute Arbeit geleistet, der Schurz sah aus wie neu. Anna hatte vor der Tür ausgeharrt, wie es sich geziemte. Der Gefährte des Wächters hatte sie ohne Unterlass angestarrt, gekichert und mit seinen schwarzbraunen Fingern nach ihrem hellen Haar getastet. Anna hatte gezischt und den Kopf weggedreht, bis er seine Aufdringlichkeit unterließ. Was hatten die Männer bloß immer mit ihrem Haar?
    Der Wächter mit dem geflickten Schurz trat dicht an Anna heran und richtete sich kerzengerade auf.
    “M´Ba. Du?”
    Verwirrt betrachtete Anna das freundliche Gesicht mit der breiten Nase. Was hatte er für große Nasenlöcher! Vielleicht war er doch nur zur Hälfte ein Mensch. Und dann die Ohren! Im rechten Läppchen steckte ein runder Pfropfen in der Farbe von Bein. Er wies mit dem Finger auf seine nackte Brust.
    “M´Ba! Du?”
    Anna fasste sich an die Stirn. M´Ba - das musste sein Name sein. Sie deutete auf sich.
    “Anna.” Dann auf den Wächter . “M´Ba?”
    M´Ba strahlte sie an. “Ja, ja, M´ba ich.”
    Anna hatte eine ganz dringende Frage, aber der Wächter schien nur diese fremde Sprache zu sprechen. Sie versuchte es trotzdem.
    “Warum hast du gekämpft?”
    Verständnislos wiegte M´Ba den Kopf hin und her.
    Verflixt, wie erhielt sie Antwort auf eine so schwierige Frage? Sie versuchte es mit den Händen, stieß mit der geballten Faust in die Luft, knurrte und tat so, als kämpfe sie. Dann zeigte sie auf M´Ba und zog die Schultern hoch.
    “Ah - warum M´ba kämpfen?”
    Sie nickte.
    “Er sagen, M´Bas Frau nicht gut dick”, versuchte der Wächter mit grimmiger Miene zu erklären. Die Erinnerung an die Beleidigung versetzte ihn noch immer in Zorn.
    Hatte sie richtig verstanden? Hatte er sich geprügelt, weil der andere seine Frau zu dünn fand? Sie nickte und wollte sich zurückziehen, doch zu ihrer Überraschung ergriff M´Ba sie am Handgelenk. Anna starrte die schwarzen Finger auf ihrer weißen Haut an. Zahllose helle Narben bedeckten seinen Handrücken.
    “Du mit M´Ba?”
    Was wollte er von ihr? Sie sollte mit ihm kommen? Nein, niemals ging sie mit einem fremden Mann! M´Ba war zwar schwarz, aber eindeutig ein Mann. Ihr Gesichtsausdruck schien sie zu verraten, denn M´Ba ließ sie los, hob abwehrend die Hände und machte ein unschuldiges Gesicht.
    “M´Ba zeigen Tiere.” Er flatterte mit den Händen, fauchte wie eine Raubkatze und reckte den Hals, als zupfe er Blätter von den Bäumen. Das war so komisch, dass Anna laut lachte und sich umstimmen ließ. “Ja. Tiere”, sagte sie lächelnd.
     
    Als der

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