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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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auskennt?”, fragte sie.
    “Ich beobachte sie, wann imme r ich kann, mache mir Notizen.”
    Er konnte schreiben, natürlich.
    “Es ist wie mit den Menschen”, fuhr der Kaiser fort. “Wenn man den Falken sagen will, was sie tun sollen, wenn man sie lenken will, dann muss man sie kennen. Die Falknerei ist eine Kunst wie die Dichtung oder die Kriegsführung, auch sie folgt Regeln.”
    Anna hatte das Gefühl, erst kürzlich etwas Ähnliches gehört zu haben. Wann und wo war das gewesen? Richtig, Meister Spierl mit seinen Büchern. Auch er sammelte Wissenswertes, Maße und Farbangaben, versuchte so viel wie möglich über seine Kunden herauszufinden. Bücher waren teuer, aber wenn Meister Spierl zwei davon besaß, konnte sich der Kaiser sicher viele leisten.
    “Vielleicht solltet Ihr E uer großes Wissen über die Kunst mit den Vögeln in einem Buch niederschreiben …”, schlug sie vor. “Dann kann Aristoteles es lesen.”
    Der Kaiser lachte.
    Anna verschränkte die Arme vor der Brust. Was war daran so komisch? Wenn Aristoteles Bücher schrieb, konnte er doch wohl auch lesen. Sie schürzte die Lippen.
    “Nicht schmollen, kleine Sonne ! Der Vorschlag ist wunderbar. Ich lache nur, weil Aristoteles tot ist, und zwar schon eine ganze Weile.”
    “Gut, dann lesen es eben andere. Die machen dann nicht die gleichen Fehler und haben alle gesunde Falken.” Sie schlug die Hand vor den Mund. Wie sprach sie mit dem Kaiser? Doch er schien ihr die Worte nicht übel zu nehmen, ja, die Ungehörigkeit nicht einmal zu bemerken. Sein Blick wanderte von dem Käfig auf die Wiese, die inzwischen vollständig in weichem Nebel und schützender Dunkelheit versunken war.
    “Ein Buch über die Kunst , mit Vögeln zu jagen, gegründet auf Wahrheit und Erfahrung. Vielleicht schreibe ich ein solches Buch.”
    Anna fröstelte, sie wä re gern wieder in die warme Stube zurückgekehrt, gleichgültig, wie verqualmt sie war. Der Gedanke an die Nähstube und Meister Spierl fuhr wie ein Blitz durch sie hindurch. Wenn der Gewandschneider erfuhr, dass sie mit dem Kaiser geplaudert und nicht nach den Schnüren gefragt hatte, drehte er ihr ganz sicher den Hals um.
    “Dir ist kalt - ich bringe dich zum Haus”, sagte der Kaiser.
    “Eines noch - darf ich eine Frage stellen?” Sie zog den Handschuh aus und hängte ihn über die Stange vor einem der Käfige.
    “Sicher.”
    “Wann werden die Schnüre mit den Maßen gebracht? Mein Meister macht sich schon größte Sorgen.”
    “Ach, die Gewänder !” Er wirkte enttäuscht. Im Gegensatz zu Anna schienen ihn Falken mehr zu fesseln als Stoffe.
    “Sind sie denn noch nicht eingetroffen? Petrus de Vinea, mein Berater, wollte sie bringen.”
    Anna schüttelte den Kopf.
    “Morgen hast du sie, ich kümmere mich darum.”
    “Danke.”
    Allein der Name de Vinea bewirkte, dass Anna die Dunkelheit nicht mehr als schützend, sondern als feindlich wahrnahm. Wenigstens musste sie den schmalen Weg an den Käfigen vorbei nicht allein gehen. Obwohl die meisten Tiere lagen, wäre ihr das unangenehm gewesen, denn die schwarzen, braunen und gefleckten Ungetüme funkelten sie mit ihren Augen an, als könnten sie auch im Dunkeln sehen. Doch der Kaiser schritt voran, mutig und stark, und Anna folgte ihm ohne Furcht.
     
    De Vinea brachte die Schnüre noch am gleichen Abend. Anna hatte dem Meister gerade alles berichtet, wobei sie die eine oder andere Kleinigkeit ausgelassen hatte, als es heftig gegen die Tür pochte. Sie öffnete rasch. Petrus de Vinea würdigte sie keines Blickes. Er stürmte an ihr vorbei auf den Meister zu und warf die vier Schnüre auf den Tisch.
    “Könnt Ihr E uch vorstellen, dass es dieser Tage für mich noch anderes zu tun gibt, als lächerliche Bindfäden durch die Gegend zu tragen?”, fauchte er, vorgebeugt wie ein angreifender Bär.
    Der Meister lehnte sich unwillkürlich auf dem Stuhl zurück, bis die Lehne ihn aufhielt.
    “Sicher, was …”
    “Dann wartet vielleicht beim nächsten Mal eine angemessene Zeit ab, bevor Ihr Euch persönlich beim Kaiser über meine Nachlässigkeit beschwert.” Sprach´s und war schon wieder zur Tür hinaus.
    Anna sah den Gewandschneider hilflos an, doch der hob nur die Schultern.
    “Keine Ahnung, was der hat. Hauptsache, die Schnüre wurden geliefert.” Er schlich zum Bett und setzte sich auf die Kante. “Geh schlafen, wir haben viel Arbeit morgen.”
    Meister Spierl blies sein Licht aus. Anna tastete sich zur Tür. Erst als sie in ihrem Bett lag und

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