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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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umgehen . M´Ba hat einen der Vögel für mich aus dem Käfig geholt, ich habe gesehen, wie es gemacht wird, und deshalb wollte ich Euch die Käfigtür öffnen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er mir gleich auf die Hand hüpft.”
    “Sie.”
    “Sie?”, fragte Anna verdutzt.
    “Fiddah ist ein Weibchen. Zugegeben, ein recht schweres.” Er schmunzelte. “Sie ist ja auch für mich ausgesucht worden, nicht für zarte Frauenarme …”
    Anna deutete auf den Vogel, den M`Ba ihr auf die Hand gegeben hatte. “Dann ist das ein Jungvogel? Weil sie so leicht ist, meine ich.”
    Jetzt lachte der Kaiser, und seine Stimme war voll und warm, wie ein guter Wollstoff.
    “Das … das ist ein Männchen. Bei den Falken sind die Männchen leichter als die Weibchen. Dieser weiße ist sogar wertvoller als meine Fiddah, er war ein Geschenk.”
    Anna schwirrte der Kopf. Der kleinere Vogel in dem einfachen Käfig war der wertvollere, aber der Kai ser gab dem grauen den Vorzug? Mussten denn nicht Kaiser immer das Beste bekommen?
    “Warum nehmt I hr nicht den teureren Vogel?”, fragte sie scheu.
    Er lächelte, und obwohl er nicht mehr ganz jung sein konn te, waren seine Zähne tadellos.
    “Fiddah ist eine wundervolle Jägerin, und sie ist ein Gerfalke, das sind die besten Beizjäger überhaupt. Deshalb gebe ich ihr den Vorzug. Das ist ja das Schöne am Herrschen: Man kann selbst bestimmen, wem man den Vorzug gibt.” Das Lächeln wich plötzlich einer ernsteren Miene. “Von Belangen wie dem Heiraten einmal abgesehen, da ist es auch nicht anders als bei euch. Man nimmt, was passt.”
    Anna nickte. Ihr Vater hätte sicher einen weniger gemeinen Mann als Hein z für sie ausgesucht - solche Entscheidungen sollte man eben nicht aus dem Bauch heraus treffen.
    “Wusstest du, dass Gerfalken keine Nester bauen?”
    Sie schüttelte den Kopf.
    “Andere Raubvögel bauen Horst e, aber die Gerfalken sparen ihre Kraft. Entweder sie erobern sich frische Nester von Kolkraben oder Steinadlern, oder sie nutzen geschützte Stellen unter steilen Felsvorsprüngen, wo sie Moos und Flechten als Bettstätten für die Brut herrichten. Obwohl sie zu den klügsten, schnellsten und besten Jagdvögeln gehören, haben sie also streng genommen kein eigenes Zuhause.”
    Der Kaiser stieß mit der Fußspitze einen Kiesel über die Wiese und betrachtete den aufziehenden Abendnebel, bevor er fortfuhr. “Sie brauchen auch kein Zuhause, sie kommen gut zurecht.”
    Irgendetwas an dem Ton, in dem er das sagte, machte Anna stutzig. Am liebsten hätte sie ihm die Hand auf den Arm gelegt, wie sie es früher bei ihrem Vater getan hatte, wenn auf der Baustelle alles danebengegangen war. Doch den Kaiser anzufassen, verbot sich von selbst, also versuchte sie, die trübe Stimmung durch eine Frage aufzulockern.
    “Die sehen so verschieden aus, sind das denn alles Falken?” , fragte sie.
    Der nachdenkliche Ausdruck auf dem Gesicht des Kaisers schwand. Seine Wangen, blass wie die der meisten Rothaarigen, überzogen sich mit der zarten Farbe des Eiferns, und seine Augen glänzten.
    “Ja, es sind alles Falken. Dies” – er deutete auf einen Vogel am Ende der Käfigreihe - “ist ein Würgefalke. Wir wollen ihn kreuzen. Mit Fiddah wird das nichts, sie bevorzugt dunkle Partner mit krummen Schnäbeln, scheint mir, und auch die Gewohnheiten von Ace dort drüben laufen unseren Plänen zuwider. Aber wir haben einige neue Jungtiere von den Suchern bekommen, vielleicht ist ein geeignetes darunter.”
    Beiläufig kehrte der Kaiser ihr den Rücken zu, öffnete eine Käfigtür, griff beherzt an dem scharfen Schnabel des Bewohners vorbei und entfernte eine lose Feder, bevor er die Tür schloss und sich ihr wieder zuwandte.
    “Man muss die Käfige sauber halten, sonst nehmen die Krankheiten zu. Aristoteles sieht das anders, für ihn ist ein Vogel entweder von Natur aus robust oder krankheitsanfällig - aber seine Begründung ist lächerlich. Er schreibt, seine Behauptung treffe zu, weil es viele vor ihm so überliefert hätten. Aber ich habe es ausprobiert. Wir haben zwei Reihen Käfige gebaut. Die eine Reihe haben wir täglich gereinigt, die andere nicht. Alle Vögel auf der sauberen Seite waren gesund, auf der anderen Seite nur zwei.”
    Mit groß en Augen blickte Anna zu Friedrich auf. Sie hatte keine Ahnung, wer Aristoteles war, aber sie hätte ihre Hand darauf verwettet, dass der nicht halb so viel über Falken wusste wie ihr Kaiser.
    “Wie kommt es, dass I hr Euch so gut mit Falken

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