Die Gewandschneiderin (German Edition)
anprobieren. Wie sollte sie ihm die albernen Ärmel erklären? Und sie war immer noch sicher, dass die Schnüre falsch geknotet waren. Was, wenn sie recht behielt und das Festgewand nicht passte? Mit klopfendem Herzen betrat sie hinter Friedrich das Gemach.
Die üppigen Wandteppiche, die weichen Felle am Boden und die unzähligen Kissen – hier war sie vor geraumer Zeit mit Meister Spierl empfangen worden.
“Ist es das?” Friedrich deutete auf den Stapel über Annas Arm. Sie brachte kein Wort hervor, nickte nur und hielt ihm das Gewand hin. Ob er ihr Haar wirklich mochte? Sie lächelte ihn an, doch er sah es nicht, sondern hatte das Gewand ergriffen und verschwand hinter einer Abtrennung aus Holz und Stoff.
“Was ist das denn?”
Anna zuckte zu sammen. Friedrich trat hinter dem Sichtschutz hervor und wies vorwurfsvoll auf die Ärmel. “Dieser Fetzen sieht aus wie ein Kreuzfahrermantel, den kann ich doch nicht zur Hochzeit anziehen. Was soll mein Weib von mir denken?”
Anna räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. Sie hatte es gewusst. Er ha sste die Ärmel genauso wie sie.
“Mein Meister achtet sehr auf die neueste Mode . Diese Ärmel sind das … Neueste.” Sie stockte kurz. “Jedenfalls ist es sehr zeitgemäß. Bei Frauen sind die Ärmel noch länger, sie reichen teilweise bis zum Boden.”
“Warum trägst du dann keine solche Mode?”, fuhr Friedrich sie an.
Anna betrachtete ihre Schuh spitzen. “Der Stoff hat nicht gereicht”, murmelte sie.
“Und das hier?” Friedrich zupfte an dem Stoff um seine Mitte - das Gewand hing an ihm wie ein Hafersack an einer Stange. Ihr schossen die Tränen in die Augen. “Die gelieferten Schnüre waren fehlerhaft. Ich habe dem Meister gesagt, dass es so nicht möglich ist, aber …”
Friedrich schnaubte ungeduldig. “Kannst du das in Ordnung bringen?”
“Ja.”
Die Tür öffnete sich. “Petrus de Vinea, kaiserlicher Berater!”, rief der Wächter.
Der massige Mann stür mte in das Gemach, das plötzlich nicht mehr behaglich, sondern beengt wirkte.
“Es ist gut, du kannst gehen. Ändere das und komm wieder, wenn es anständig aussieht” , ordnete Friedrich barsch an.
De Vinea blickte vom Kaiser zu Anna und grinste. Sie raffte den Stoff zusammen und wandte den Kopf. Er musste sie nicht auch noch weinen sehen.
Wie ein Falke
Wie hatte sie bloß glauben können, ein Mann wie Friedrich könne Gefallen an ihr finden? Er hatte in der Scheune irgendeine exotische Schönheit gemeint, und sie war so hochmütig gewesen, die Schwärmerei auf sich zu beziehen. Das rote Kleid hatte sie angezogen, sich schön gemacht für ihn. Dabei war sie nichts als eine dumme Gans, die seine unfreundlichen Worte mehr als verdient hatte. Das Gewand war furchtbar, sie konnte froh sein, dass der Kaiser sie nicht hatte köpfen lassen.
Anna hielt den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen. Sie hatte auf dem Weg zur ihrer Bank nichts gesehen als trostloses Gestrüpp, zertretene Blätter und schlammige Pfützen. Was ihr am Tag zuvor noch duftend und blühend wie das Paradies erschienen war, hing nun braun und matschig herunter, von Duft keine Spur. Meister Spierl wachte inzwischen gar nicht mehr auf, und sie saß auf dieser Bank, hatte alles bis auf Isabellas Kleid und die Anpassung der Gewänder für deren Jungfern fertiggestellt und traute sich mit dem eigenmächtig geänderten Gewand nicht noch einmal zum Kaiser. Was, wenn er wieder so unfreundlich war?
Wenigstens schien die Sonne . Die warmen Strahlen, die alles in ein hellrotes Licht tauchten, waren sogar durch die geschlossenen Lider wahrzunehmen. Doch gleich darauf schien sich eine Wolke davorzuschieben, und es wurde dunkel.
“Nicht einmal das ist mir vergönnt” , schimpfte sie vor sich hin, öffnete die Augen einen Spaltbreit und trat mit der Fußspitze in den Wolkenschatten auf dem Kies.
“Au!”
Anna fuhr hoch wie von einer Wespe gestochen.
“Majestät, ich … o nein, ich wollte … ich habe Euch nicht …”
Mehr als hilfloses Gestammel brachte Anna nicht zustande. Sie hatte den Kaiser mit einem Stein getroffen. Wenn man schon für das Werfen eines Apfels auf einen Wächter geblendet wurde, was würde man dann mit ihr anstellen? Friedrich schaute ihr tief in die Augen.
“Dafür kann ich dich hängen lassen.” Er sagte das nicht unfreundlich, rief auch nicht die Wachen, aber Anna schossen die Tränen in Sturzbächen über die Wangen.
“Warum weinst du? Es war nur Spa ß, ich lasse dich nicht hängen.
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