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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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würde sie binnen kürzester Zeit nass wie eine Rübe im Kochtopf. Ein Stück den Weg entlang stand eine Scheune – ob sie dort Zuflucht fand? Der Sturm zerrte an ihren Flechten und riss ihr die hölzerne Nadel aus dem Haarknoten. Sie bückte sich und erhaschte die Nadel, just bevor der Wind sie fortwehen konnte. Dann raffte sie den Rock, zog den Kopf zwischen die Schultern und rannte auf die Scheune zu.
    Am Himmel türmten sich dunkle Wolken. Nur der Grasstreifen neben dem Feld und eine Seite der Scheune leuchteten noch hellgelb im letzten Sonnenlicht. Dicke Tropfen prasselten auf Annas Kopf und schlugen ihr gegen die nackten Fesseln. Heftige Windstöße rissen das doppelt mannshohe Tor der Scheune auf und schlugen es wieder zu. Sie rettete sich hinein.
    Nachdem sie sich die Nässe aus dem Haar geschüttelt hatte, atmete sie auf. Der festgestampfte Lehmboden war staubig, aber trocken, das Dach schien dicht zu sein. Anna sah sich um. Stabile Balken in der Mitte stützten einen Heuboden; eine steile Treppe führte hinauf. Überraschenderweise war es angenehm kühl hier. Unten lagerten allerlei einfache Werkzeuge, Rechen und Eimer. Heuballen häuften sich neben der Leiter. Eine Ecke war wohl für Pferde vorgesehen, ein abgegriffener Haltebalken, eine halb gefüllte Raufe und die zertretene Stroheinschütte zeigten, dass die Scheune häufig benutzt wurde. Es donnerte. Durch die Türlatten drang der Wind herein und presste Anna das klamme Oberteil gegen den Rücken. Sie schüttelte sich und wollte gerade von der Tür zurückweichen, als nach einem abklingenden Donner plötzlich Hufgetrappel zu hören war.
    Dumm von ihr, wenn sie annahm, Heinz könne sich nicht hierher verirren! Sie wusste ja nicht einmal, aus welcher Richtung er anreiste. Vielleicht suchte auch er Schutz vor dem Gewitter und stieß durch Zufall auf seine geflohene Ehefrau. Anna huschte zur Tür und spähte durch die Ritzen der Tür. Zwei Männer verhielten die Pferde, den Rücken ihr zugewandt. Im Regen war nicht auszumachen, wer es war. Ein Hund sprang neben einem der Rosse auf und ab. Anna zuckte zusammen. Etwa so groß musste Bär inzwischen sein. Sie warf sich herum und suchte einen zweiten Ausgang, vergeblich. Ihr Blick fiel auf die Leiter. Mit einer Hand den Rock raffen und rasch die Stufen hochklettern, war eins. Anna kroch über den Rand, warf sich lang auf den Bauch und zog die Beine an. Keinen Augenblick zu früh. Das Tor öffnete sich, und der Sturm fegte in die Scheune. Anna presste ihre Wange an die zerklüfteten Dielen und lugte durch einen Spalt nach unten. Zwei Männer zogen schwer bepackte Pferde über die Schwelle. Der Hund schüttelte sich und legte sich im Heu nieder. Einer der beiden Männer warf sich gegen das Tor, um es vor dem Wind zu schließen. Erst als er sich wieder umwandte, sah Anna sein Gesicht. Es war nicht Heinz, aber es war auch kein Unbekannter.
    „Federico, überlass mir die Pferde!“ Petrus de Vinea nahm die Rosse am Zügel, führte sie zur Strohschütte und band sie am Haltebalken fest. Der andere Mann - der Kaiser!- nahm die Mütze ab und zog sich das nasse Hemd über den Kopf. Halb bekleidet stülpte er einen Eimer um und setzte sich darauf, die Beine gekreuzt. Anna unterdrückte ein Kichern - sein Körper war weiß wie Schneiderkreide.
    „Das war knapp. Am besten, wir versenken den Bock gleich in der Grube“, schlug de Vinea vor.
    Wortlos erhob sich Friedrich und zerrte einige Heuballen zur Seite. Was hatte er vor? Zwei Holzplatten kamen zum Vorschein. Der Kaiser hob beide an und schob sie zur Seite. Das Loch war gefüllt mit weißen Eisblöcken - es war eine Kühlgrube für Jagdbeute. Friedrich trat zurück, und eine dunkelgraue Masse fiel mit dumpfem Laut in die Öffnung. Schnell schob de Vinea die Platten wieder darüber und türmte das Heu neu auf. Der Kaiser setzte sich wieder auf den Eimer, sein Berater hockte sich neben ihm auf den Boden.
    Anna bewegte die steifen Beine , und ein Zipfel ihres Kleides rutschte über den Rand. Hastig griff sie danach und zog, und sie hatte Glück. Der Saum blieb nirgends hängen. Doch durch die Bewegung rieselten Staub und kleine Halme durch den Spalt nach unten. Anna hielt den Atem an.
    Die beiden Männer hatten offenbar nichts bemerkt, schienen aber auch nicht so bald aufbrechen zu wollen. Warum auch, wenn draußen ein Gewitter tobte? Es half nichts, sie musste ausharren, bis das garstige Wetter sich verzogen hatte. Sie konnte nur noch hoffen, dass die Reiter sie nicht

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