Die Gewandschneiderin (German Edition)
Ich habe dich beobachtet und weiß, dass du mich nicht gesehen haben kannst.”
Anna schluchzte weiter. Obwohl sie erleichtert war, bahnte sich nun aller Kummer seinen Weg. Verschwommen sah sie, dass der Kaiser wieder barfuß war. Ein Sonnenbrand leuchtete auf dem Spann und verdeckte die Sommersprossen.
“Sag schon, warum weinst du? Fehlt es dir an etwas?” , bohrte der Kaiser weiter.
“Was kümmern E uch die Sorgen einer kleinen Schneiderin?”, klagte Anna.
“Versuch es und lass mich entscheiden” , bat Friedrich.
Die ganze Angst, alle Verzweiflung der letzten Tage brachen aus ihr heraus. “Der Meister ist krank, und wenn er einmal wach ist, gibt er unsinnige Anweisungen, wie das mit den Ärmeln, die ich selbst furchtbar finde, die taugen höchstens zum Falkenerschrecken, gleichgültig, wie zeitgemäß sie sind.” Anna schniefte und warf Friedrich einen Seitenblick zu, der Kaiser lächelte. “Euer Berater hat mir die falschen Maße geschickt, ich bin mir sicher, er hat sich vertan, denn ich habe mich noch nie – niemals - in einem Maß geirrt. Aber der Meister hat gesagt, ich muss die vom Hof geschickten Maße verwenden.”
Der Kaiser öffnete den Mund, schloss ihn wieder und sann einen Augenblick lang vor sich hin. “Du kannst de Vinea nicht leiden, oder?”
“Es steht mir nicht zu, ein Urteil über ihn zu fällen”, murmelte Anna.
“Schon gut, er kann sich auch nicht so recht für dich erwärmen, seit du ihn ausgelacht hast. Genaugenommen ist er sogar recht nachtragend, und wenn er sich einmal festgebissen hat, lässt er nicht wieder los. Nimm das Rebhuhn. Er hätte es bei der nächsten Jagd den Falken überlassen können, aber was tut Petrus? Stellt dem Huhn nach, mit seinem Schwert! Wer außer ihm hat es je geschafft, einen Bodenflüchter auf einen Baum zu jagen? Und seine Wirkung auf Menschen ist nicht viel anders. Seine Leidenschaft und Unerschrockenheit ziehen die Menschen entweder an - oder stoßen sie ab. Mich ziehen sie eher an.”
Anna zuckte zusammen. “Ihr wisst von der Begegnung auf der Lichtung?”, hauchte sie.
“Ich war ganz in der Nähe, Dummchen, und gelacht habe ich auch. Nur kann er mir das nicht übel nehmen. Es hat auch Vorteile, Kaiser zu sein.”
Friedrich fegte mit der flachen Hand die letzten Regentropfen von der Bank und setzte sich neben Anna.
“Warum hast du nicht einfach andere Ärmel genäht?”, fragte er.
“H abe ich ja. Aber erst nachdem Ihr es verlangt habt. Das Gewand ist geändert, und die Maße stimmen. Aber Meister Spierl ist mein Herr, ob krank oder nicht, seine Anweisung zählt.”
Anna zog die Füße auf die Bank und legte die Arme um die Knie.
“Nun, dann ist doch eigentlich alles gut, oder nicht?”, fragte er .
Die tiefe Traurigkeit in Anna hatte sich noch immer nicht gelegt. Der sanfte Blick aus den blauen Augen stieß die Tür zu einem älteren, schlimmeren Schmerz auf.
“Und ich habe meinen Hund verloren.” Sie hatte noch mit niemandem darüber gesprochen, aber sein Blick schien ihr bis auf den Grund der Seele zu dringen. Wenn er ihr sagen würde, dass sie nicht anders hatte handeln können, vielleicht würden dann Schmerz und Scham darüber abebben, den Hund im Stich gelassen zu haben.
“Und wie?” , fragte Friedrich.
“Das ist eine lange Geschichte …”, wich Anna aus.
“Dann erzähl sie schnell, denn viel Zeit habe ich nicht.” Friedrich lächelte.
“Ich hatte ihn von meiner Base, der Name war Bär – also der von meinem Hund. Ein Mann machte mir den Hof, und ich nahm seinen Antrag an. Aber seine Mutter fand, ich sei nicht gut genug für ihn. Sie hat mich lange nicht empfangen, erst am Tag der Hochzeit durfte ich sie begrüßen. Wir waren beide sehr erleichtert, und sie war sehr freundlich. Wein hat sie mir angeboten und mir Geschenke gemacht. Aber später, in der Hochzeitsnacht, ist mein Gemahl einfach eingeschlafen, bevor wir … noch ehe …” Sie stockte.
“Die Ehe vollzogen wurde?” , fragte der Kaiser. Anna nickte.
“Er war durch nichts wach zu bekommen, selbst als ein Diener mit der Nachricht hereinkam, dass seine Mutter plötzlich verstorben sei. Am nächsten Tag war Heinz wieder wohlauf, aber er gab mir die Schuld am Tod seiner Mutter. Und dann, auf einer Reise, hat er mich in eine Kammer gesperrt und gesagt , er ruft die Schergen, weil er glaubt, dass ich eine Hexe bin.”
Friedrich beugte sich vor und sah ihr forschend ins Gesicht. Warum hatte sie nur davon angefangen?
“Warum glaubt er, dass du
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