Die Gewandschneiderin (German Edition)
Gestrüpp sah, das ihm aus der Nase wucherte. Den nächsten Satz zischte er so leise durch die Zähne, dass nur sie ihn verstand. ”Du bist nicht gut genug, gehässige kleine Hexe. Zeit, dass du verschwindest.” Er richtete sich auf und sprach mit lauter Stimme weiter. “Spute dich, die Kammer wird gebraucht.”
“Aber ich muss noch mein Werkzeug aus der Nähstube holen.”
“Dann solltest du dich umso mehr beeilen.”
Die Tür schlug zu.
Wie konnte er ihr das antun? Vorhin noch hatte sich der Kaiser mit ihren Schneiderkünsten zufrieden gezeigt, und gleich darauf ließ er sie hinauswerfen? Warum?
Anna bog nicht zur Nähstube ab, sondern suchte durch den Schleier ihrer Tränen hindurch die Abzweigung zu Friedrichs Gemächern. Er hatte gesagt, sie dürfe zu ihm kommen, wenn etwas im Argen liege. Die Flügeltüren waren geschlossen. Ein einsamer fremder Wächter stand davor.
“Wo ist Karim?” , fragte Anna. Der Wächter hob die Schultern.
“Karim?” , fragte Anna noch einmal.
Der Wächter tat so, als spanne er einen Bogen und der Pfeil schnelle von der Sehne.
Die Jagd. Der Kaiser war auf der Jagd. Wer hatte de Vinea dann den Auftrag gegeben, sie als Schneiderin zu ersetzen?
Allmählich begriff sie . Zahmeenas Blicke, de Vineas Erscheinen, in seinem Schlepptau der neue Schneider - ein abgekartetes Spiel! Hatte der kaiserliche Berater nicht darauf gedrungen, dass sie alles stehen und liegen ließ und sofort aufbrach? Es gab keinen Grund dafür, es sei denn, sie sollte aus dem Weg sein, bevor der Kaiser von der Jagd zurückkehrte. Sie brauchte Hilfe.
“M´Ba? Wo ist M´Ba?” , fragte sie den Wächter.
Der redete beflissen auf sie ein, aber Anna verstand kein Wort. Aber sie wusste, wo sie ihn fand.
“M´Ba, M´Ba!” Anna rief noch im Laufen nach dem fremdartigen Hünen.
Er wandte den Kopf und erkannte Anna. Der Käfig erzitterte. Obwohl der Affe hinter den Gittern wie ein Teufel kreischte und gegen die Wände seiner engen Behausung sprang, wich M`Ba keinen Zoll zurück.
“Schschsch !” Vorsichtig steckte er eine Hand durch die Stäbe und hielt dem Affen einen Apfel hin. Der riss das Obst an sich, brach es in zwei Hälften und kaute gierig. M´Ba wischte sich die Hand am Überwurf ab und erhob sich.
“Anna. Was du rufen?”
“M´Ba. Gott sei Dank!” Anna keuchte. “Kannst du mir helfen? Petrus de Vinea befiehlt, dass ich abreise. Ein anderer soll die Gewänder schneidern. Aber ich will nicht. Weißt du, wann der Kaiser zurückkommt?”
“Kaiser zurück?”, fragte M`Ba.
Anna griff sich an die feuchte Stirn. Sie hatte viel zu schnell gesprochen, und er hatte wohl kaum die Hälfte ihres Redeschwalls verstanden.
“Ja. Kaiser zurück?”, fragte sie.
“ Nicht wissen. Vielleicht wenn Sonne unten”, erwiderte M`Ba.
Sonnenuntergang? Das war viel zu spät! Bis dahin wäre sie schon unterwegs nach Trier.
“M´Ba, kannst du ihn finden und etwas sagen, zum Kaiser? Von Anna?” , drängte sie ihn.
Der Wächter nickte, bewegte sich aber keinen Zoll von der Stelle.
“Erst Tiere essen, dann fragen Kaiser.”
O nein, das durfte nicht wahr sein! Sie sah die Reihe entlang. Der Käfig des Affen befand sich etwa in der Mitte. Wenn jedes Tier so viel Aufwand erforderte …
Ein Jagdhorn ertönte, erst zweimal langsam tief und hoch, dann zweimal schnell tief und hoch. Noch während zum Abschluss ein tiefer Ton nachklang, stürmte M´Ba schon davon.
“Da Kaiser ! Du kommen, Anna!”, rief er.
Das ließ sich Anna nicht zweimal sagen. Sie rannte hinter dem Wächter her, der mit seinen langen Beinen unglaublich schnell war. Er stand bereits vor der Meute, als Anna sich noch keuchend näherte. Sie sah, wie Friedrich sich vom Pferd schwang, M´Ba einen Befehl erteilte und ihm ein Paar Zügel reichte. Erst als der Rappe des Kaisers sich zur Seite wandte, entdeckte Anna die Trage.
Zwei Holzstangen , seitlich mit Tauwerk am Sattel festgezurrt und mit festem Tuch als Auflage, hingen hinter einem Pferd ohne Reiter. Darauf eine Gestalt, die ganz schwarz schien bis auf einen leuchtenden Fleck, den Anna als blassgrüne Kopfbedeckung erkannte, die quer über dem Leib lag. Anna stockte der Atem. Es war Karim, Friedrichs persönlicher Wächter. Eines seiner Beine war mit einem blutbefleckten Tuch umwunden. Endlich war sie heran.
“Anna , was suchst du hier draußen?” Friedrich klopfte seinem Rappen einen kleinen Rest Schweiß vom Hals und wischte sich die Hände trocken.
Anna war völlig
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