Die Gewandschneiderin (German Edition)
verwirrt - was sollte sie als Erstes fragen?
“Bitte , Majestät, habt Ihr einen Augenblick Zeit für mich? Was ist mit Karim geschehen?”
“Karim ist nicht schwer verletzt. Ein Keiler ist mit seinem Speer im Rücken weitergestürmt, das ist Karims Bein nicht gut bekommen. Keine Sorge, er wird wieder gesund.” Friedrich gab einige kurze Anweisungen, und die Jagdgesellschaft löste sich auf. Er nahm Anna am Ellbogen und zog sie neben sein Pferd, weg von der Meute.
“Was gibt es?”
Anna schossen die Tränen in die Augen , teils aus Hilflosigkeit, teils aus Zorn. Sie würde ihren Platz nicht einfach räumen, sie würde sich wehren und holte tief Luft.
“Majestät, habt I hr de Vinea aufgetragen, mich vom Hof zu entfernen?”
“Ich … was? Nein!” Friedrich wirkte ehrlich entrüstet; sie glaubte ihm.
“Er sagt, ich muss den Schneidertisch einem anderen überlassen und abreisen, sofort, weil Meister Spierl zu krank ist, um mich zu beaufsichtigen.” Anna bohrte die Fußspitze in den losen Sand. “Und dass meine Arbeit nicht gut genug ist für Euch”, fügte sie leise hinzu.
“Herr im Himmel, kann man euch denn nicht einmal einen halben Tag lang allein lassen, ohne dass ihr euch an die Gurgel geht?” Friedrich schüttelte den Kopf und lief los. Anna hastete hinter ihm her.
Viel langsamer als M´Ba war er nicht, erst in der großen Halle holte sie ihn ein. Sie trafen den Berater in Begleitung des neuen Schneiders an, dem er offensichtlich gerade den Weg zur Nähstube erklärte.
“Petrus.” Der Kaiser hatte nicht laut gerufen, aber Anna sah, wie der Angesprochene zusammenfuhr.
“Federico …”
“Was tust du da, eh?”
“Ich dachte, für Isabella … für die neue Kaiserin ist nur das Beste gut genug. Und da Meister …?”
“Spierl” , antworteten Anna und der Kaiser gleichzeitig.
“Genau ! Da Spierl zu krank ist, habe ich den zweitbesten Schneider bestellt.”
“Ohne meine Einwilligung?”
De Vinea senkte den Kopf. “Ich wollte nur das Beste für die Braut”, murmelte er. Der Schneider stand mit offenem Mund daneben.
“Ja, oder du wolltest das Weib aus den Augen haben, vor dem du dich so lächerlich gemacht hast. Ich dachte, ich hätte mich diesbezüglich klar ausgedrückt” , schnauzte Friedrich.
De Vinea schwieg, aber der Blick, mit dem er Anna durchbohrte, hätte eine Nadel zum Glühen gebracht.
Der Kaiser nahm seinen Ratgeber zur Seite, doch Anna hörte dennoch, was er sagte.
“Um unserer Freundschaft willen sehe ich es dir nach, aber ich warne dich. Kommen mir Ränke gegen mich zu Ohren, sitzt dir der Kopf so lose auf dem Hals wie der eines jeden anderen. Haben wir uns verstanden?”
Betont munter wandte Friedrich sich an den Schneider und an Anna. “So, dann machen wir uns ein Bild von der Lage!” Anna wollte schon aufatmen, doch die nächsten Worte erstickten ihre Hoffnung im Keim.
“Zuerst einmal überzeugen wir uns, ob der Meister wirklich so krank ist.”
De Vinea lief voraus, der fremde Schneider folgte ihm auf dem Fuß. Anna zupfte den Kaiser sacht am Ärmel.
“Was denn?”
“Majestät, warum bleibt nicht alles so wie bisher? Ich kann das, ich bin wirklich gut. Der Meister ist zufrieden mit mir, Ihr seid zufrieden mit mir. Reicht das nicht?”, flehte sie.
Der K aiser sah sie mitleidig an. “Sosehr ich es missbillige, dass mein Berater eigenmächtig gehandelt hat, im Grunde hat er recht. Er ist nicht nur ein Freund, er ist auch mein Hofjurist. Wenn Isabellas Familie zu Ohren kommt, dass wir sie nicht mit allen erdenklichen Ehren behandeln, könnte das auch … politische Folgen haben. Ich muss prüfen, ob ihrem Ansehen Schaden droht, wenn ich dich weiterarbeiten lasse.”
Sie hatten die beiden eingeholt , und de Vinea redete eindringlich auf den Kaiser ein.
“Wie soll eine Schneiderin das allein schaffen? Es gibt auch Weiteres zu bedenken. Der Gesundheit des Schneiders ist es sicher zuträglicher, wenn wir ihn nach Hause schicken. Da kümmert sich sein Weib um ihn …”
Anna konnte das scheinheilige Geschwätz nicht mehr mit anhören.
“Er hat kein Weib, er ist Witwer” , fauchte sie.
De Vinea starrte erst sie, dann den Schneider und schließlich den Kaiser an. Friedrich lachte lauthals.
“Er ist Wider rede nicht gewohnt, Anna. Also mäßige dich.”
Anna senkte den Kopf, doch weniger aus Demut, als um ihre Verachtung de Vinea gegenüber zu verbergen.
“Verzeihung.”
Die Tür zu Meister Spierls Kammer kam in Sicht. Petrus de Vinea
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