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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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“Warum willst du das wissen?”
    Anna sah zu Boden und nestelte an der Ärmelborte ihres Kleides.
    “Weil … weil ich nie genau weiß, was richtig und was falsch ist hier am Hof. Was, wenn ich etwas Dummes tue, das erst gar nicht so dumm erscheint … jemanden anfassen zum Beispiel … und dann stellt sich heraus, es war verboten …”
    Ihre Stimme zitterte, doch darauf kam es nicht mehr an. “Sie war alt und kaum gefährlich, oder?”
    Friedrich la chte. Und er trat wieder näher.
    “Du hast Angst, ich lasse dich blenden, wenn du etwas falsch machst?”
    Sie nickte und sah zu ihm auf.
    Er wurde ernst. “Du hast nicht ganz unrecht, die alte Frau war kaum eine Gefahr, aber das, wofür sie steht, ist gefährlich. Jeder in diesem Land denkt, er kann tun, wonach ihm der Sinn steht. Die Fürsten zerreißen das Land und benehmen sich wie …” Er stockte. “ …wie Schweine am Trog. Wer ihnen zu nahe kommt, wird gebissen. Der Papst hat nur seine unsinnigen Kreuzzüge im Sinn. Ich habe schon vor sieben Jahren mit Sultan al-Kamil Vereinbarungen getroffen, er hat mir Jerusalem friedlich übergeben! Und dankt der Oberhirte es mir? Nein, genauso wenig wie sein Vorgänger. Er hasst mich, weil ich mächtiger bin als er. Wenn ich es einer Frau nachsehe, dass sie mit Äpfeln auf die kaiserliche Wache wirft, und sie nicht zur Rechenschaft ziehe, dann stehen im nächsten Monat zehn Leute mit Forken da - und im übernächsten hundert mit dem Schwert.”
    Er seufzte und wandte sich um. Die Arme auf dem Rücken verschränkt, blickte der Kaiser aus dem Fenster, und als er weitersprach, klang seine Stimme seltsam dünn.
    “Der Mann Friedrich hatte sogar Mitleid mit der Alten, aber Friedrich der Herrscher hätte mit seinem Zögern einen Krieg riskiert. So einfach ist das - und so furchtbar. Glaub mir, ich habe es erlebt. Du warst doch bei der Verhandlung anwesend, alle waren anwesend. Sogar mein eigenes Fleisch und Blut hatte sich gegen mich gestellt.”
    Er wandte sich zu Anna um. “Das ist auch nicht gerecht, oder?”
    Anna schüttelte den Kopf. “Darf ich etwas fragen?”
    “Frag.”
    “Habt I hr Heinrich wirklich bestraft, weil er die Ausübung der Gottesurteile beenden wollte?”
    “So ein Unsinn!” , rief Friedrich aus. “Es ging um Macht, es ging um Politik. Keiner will Gottesurteile, er nicht und ich nicht. Bei einem Gottesurteil gewinnt nicht der, den Gott liebt, sondern – mit Glück – der, der geschickt und stark ist. Die Kirche hat diese Prüfungen schon verboten, ich habe sie verboten, und immer noch kommt es vor, dass Menschen durch eine Feuer- oder Wasserprobe sterben.”
    Anna konnte ihre Erleichterung kaum verbergen. Sie hob entschlossen den Kopf und strahlte ihn an.
    Friedrich deutete auf das Gewand. “Kann ich es anprobieren?”
     
    “Siehst du, so ist es viel besser.” Er drehte sich vor der polierten Scheibe in seinen Gemächern und zupfte an den kostbaren Ärmelborten. “So kann ich mich zeigen, oder nicht?”
    Anna betrachtete Friedrichs geraden Rücken, die breiten Schultern und den starken Nacken. Er war vollkommen.
    “Ihr seht großartig aus, Majestät !”, rief sie. Friedrich fuhr auf der Ferse herum, legte den Kopf schief und durchbohrte sie mit Blicken. “Findest du?”
    “D …das Gewand steht Euch gut, meine ich”, stotterte Anna.
    Friedrich seufzte und drehte sich wieder zu r Scheibe hin.
    “Ich hoffe, Isabella wei ß es zu würdigen. Gut gemacht, Anna.”
    Sie hatte es geschafft, er mochte das Gewand .
    Eine Mischung aus Freudengluckser und Schluchzer stieg ihr in die Kehle, und erst kurz vor dem Ausbruch vermochte sie den Laut zu unterdrücken.
    Friedrich verschwand hinter dem Sichtschutz , und das Rascheln der teuren Stoffe zeigte an, dass er sich entkleidete. Das neue Gewand flog auf den Rand der hölzernen Abschirmung und verströmte eine Wolke seines Duftes. Anna wurde so eigenartig zumute, dass sie sich auf die Knöchel biss, bis der Schmerz sie wieder zur Besinnung brachte.
    “Im Übrigen” – Friedrich schob den Kopf und den nackten Oberkörper hinter dem Wandschirm hervor, und Anna schlug die Augen nieder – “hatte ich heute Morgen eine Begegnung mit Heinz, dem Tuchhändler.”
    Die Freude über das gelungene Gewand verwandelte sich in jähen Schrecken. Anna stützte sich gegen die nächste Wand, und die Knie gaben nach. Ohne zu fragen, setzte sie sich auf einen der üppig gepolsterten Schemel. Sie hatte sich nicht getäuscht - es war Heinz gewesen, dessen

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