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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Spierl beim Besuch des Kaisers wieder verwirrt gewesen und wusste nicht genau, was er tat. Wäre Friedrich wenigstens an ihrer Seite gewesen, in seiner Nähe fühlte sie sich sicher. Mit dem Kopf begriff sie, dass der Kaiser anderes zu tun hatte, als seiner Schneiderin die Sorgen zu vertreiben, aber ihr Herz wünschte ihn sehnlich herbei. Und noch immer rumorte eine schlecht zu fassende Sorge in ihrem Innern. Wenn sie herausbekäme, was sie so beunruhigte, könnte sie vielleicht endlich die Kammer des Meisters betreten.
    “N un, plagen dich doch Skrupel, gerissenes Weibsbild?”
    Anna fuhr herum. Das seltsam flache Gesicht von de Vinea schob sich in ihr Blickfeld. Der sorgfältig gestutzte Bart machte jede Bewegung der boshaften Lippen mit, und durch das feine Tuch seines Umhang es drang der abartige Geruch seines aufgetriebenen Körpers, vermischt mit einer säuerlichen Dünnbiernote. Feder, Tinte und Pergament schienen in den riesigen Pranken zu verschwinden. Anna wich zurück, bis sie das Holz der Tür im Rücken spürte.
    De Vinea starrte sie an und trat einen Schritt näher. “Seit du hier bist, machst du nur Ärger. Und nun erschleichst du dir auch noch eine gute Partie. Vielleicht hätten wir den Vorwurf wegen Hexerei doch genauer prüfen sollen.”
    Welch widerwärtiger Ränkeschmied! Aber wenn sie wirklich noch eine Weile am Hof bleiben wollte, sollte sie sich vielleicht mit ihm aussöhnen …
    “Warum hasst Ihr mich so? Ich habe E uch nichts getan. Das mit dem Auslachen tut mir leid, ich …”
    “Spar dir den Atem, Hexe!” , zischte de Vinea.
    Anna fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Reh.
    “Du hast mich nicht nur ausgelacht, sondern auch angeschwärzt – d ie Schnüre mit den Knoten, erinnerst du dich? Und dann bist du zum Kaiser gerannt, als du unrechtmäßig in die Fußstapfen deines Meisters treten wolltest, Otterngezücht, um mich zu verleumden und bei meinem Herrn schlecht zu machen. Aber das gelingt dir nicht, kein Weib stellt sich zwischen uns.”
    Er griff Anna an den Busen. “Ich zeige dir schon noch, wie sich ein Weib zu benehmen hat, wenn …”
    Annas Wut ließ sich nicht mehr bezähmen. Mit der einen Hand schlug sie die Pranke beiseite, mit der anderen versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige.
    De Vinea jaulte auf, seine Hand fuhr zur Wange, und er verschüttete um ein Haar die Tinte. “Miststück! Warum trägst du kein gelbes Kleid wie eine Hure? Bringst seine älteren Gesellen um ihr gutes Recht, greifst dir den alten Bock, der bald stirbt. Dabei ist er schon zu schwach, um die Ehe zu vollziehen, und du musst ihn besteigen!”, brüllte de Vinea.
    Er sprach weiter, schmähte sie mit üblen Worten, aber seine Stimme rauschte an ihr vorbei wie das Plätschern eines vergifteten Baches. Endlich hatte das ungute Gefühl einen Namen. Sie hatte die ganze Zeit nicht wahrhaben wollen, dass sie mit Meister Spierl die Ehe vollziehen musste, damit sie rechtskräftig verheiratet waren.
    De Vinea, der Flur, die Wände, alles drehte sich, dann wurde es dunkel ringsum.
     
    “Was hast du ihr angetan?”
    Diese Stimme, so tief, so angenehm … Anna hielt die Augen geschlossen, vielleicht gelang es ihr, wieder einzuschlafen und den Traum weiterzuträumen.
    Eine andere, hässliche Stimme antwortete. “Nichts ! Sie ist einfach umgefallen. Vielleicht ist sie guter Hoffnung. Bei so einer weiß man das nie.”
    “Anna? Was redest du da ?” Jemand hob Annas Kopf an und befühlte ihre Stirn. Dieser Duft. Friedrich, es war Friedrichs Stimme. Sie schlug die Augen auf.
    “ Endlich bist du wieder wach! Geht es dir gut?”
    Sein Gesicht war so nah e.
    “Ja, es geht mir gut” , antwortete Anna.
    “Schön, dann komm ! Ich habe es eilig, dich unter die Haube zu bringen, es gibt noch viel Arbeit.”
    Sofort war die Übelkeit wieder da. Zu allem Überfluss tauchte de Vineas Gesicht neben Friedrich auf. Dieser Lügner! Wenigstens glühte seine Wange noch immer an der Stelle, wo sie ihn geohrfeigt hatte. Sie stützte sich auf und ließ sich vom Kaiser hochhelfen.
    “Armes Ding, du bist immer noch ganz blass” , murmelte er.
    Friedrich nahm de Vinea am Arm. “Petrus, müssen wir Anna das wirklich zumuten? Ich habe diese Sache m it Bianca durchgemacht, du weißt, wie krank sie war, und was ich erleben musste, wünsche ich keinem. Noch immer werde ich von Albträumen heimgesucht.”
    Anna horchte auf. Worum ging es da?
    “So gern ich dir stets zu Willen bin, Federico, es wäre nicht rechtens.

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