Die Gewandschneiderin (German Edition)
musste sich an sich halten , um nicht zu lachen. Er machte seine Sache gut. Sie schielte zu de Vinea hinüber. Ließ er sich täuschen?
“Das kann nicht sein - ich war doch nur kurz im Hof. Und Zahmeena hat mich in Wahrheit gar nicht rufen lassen. Was geht hier vor?”
Petrus stieß Anna grob aus dem Weg und schlug die Bettdecke zurück. Verächtlich starrte er auf den Fleck. “Was ist das - Sirup?”, fauchte er, tauchte einen Finger in die Feuchte, rieb die Fingerspitzen gegeneinander und roch daran. “Pff! Im Bett ist das noch kein Beweis.” Er warf die Decke wieder zu, riss Anna an den Armen herum und starrte auf ihre Kehrseite. Wie froh war sie nun über den ekligen Fleck!
“Ha! Aber daran habt i hr sicher nicht gedacht.” Noch einmal lüftete er die Bettdecke, diesmal so hoch, dass auch Meister Spierl bloß lag.
“Warum seid Ihr so misstrauisch? Gönnt I hr mir mein junges Weib nicht?”, fragte Meister Spierl. Er schaffte es, ehrlich gekränkt dreinzuschauen.
“Meister Wortwin, wollt Ihr etwa behaupten, dass es in meiner kurzen Abwesenheit zu einem erfolgreichen Beischlaf kam?”, keuchte de Vinea.
Wortwin wand sich und errötete. “Warum seid Ihr überhaupt hinausgelaufen? Ihr solltet ebenso als Zeuge zugegen sein wie ich”, redete er sich hinaus.
“Antwortet!” , donnerte Petrus de Vinea.
“Ja, ich bezeuge den erfolgreichen Beischlaf”, erklärte Wortwin entschlossen.
De Vinea trat gegen den Bettpfosten. “ Das glaube ich nie und nimmer!“, schrie er wütend.
Anna hielt es nicht mehr aus und schluchzte laut.
“Das reicht!” , rief der Kaiser. “Es ist mir gleichgültig, ob du es glaubst oder nicht. Sowohl ich als auch Meister Wortwin bezeugen es, und warum du hinausgelaufen bist, haben wir noch zu klären. Und nun richte Alimah aus, sie soll das Hochzeitsmahl auftragen lassen.”
Petru s de Vinea stapfte zur Tür hinaus.
Anna schüttelte sich. “Darf ich mich bitte umziehen?”, fragte sie mit versagender Stimme.
Wortwin und Friedrich wandten sich um, Meister Spierl schloss die Augen. Anna schlüpfte aus dem besudelten Hemd. Ob der Fleck wohl herauszuwaschen war? Bedauernd betrachtete sie den feinen Stoff, bevor sie es zu Boden gleiten ließ. Schnell war sie in ihr Gewand geschlüpft, eilte auf den Kaiser zu und zupfte ihn am Ärmel.
“Danke” , flüsterte sie. Friedrich lächelte. “Das habe ich nicht für dich getan - nicht nur für dich. Es war Meister Spierls letzte Bedingung. Seine Wiffi hätte ihm sonst den Garaus gemacht, schneller, als der Schnitter ihn holen könne, hat er behauptet.”
Anna lächelte zurück. Da konnte er durchaus recht haben. Sie selbst war jedenfalls froh, Wiffi nur die Hochzeit und nicht auch noch einen Beischlaf beichten zu müssen.
Es klopfte , und mehrere Mägde trugen Platten mit Fleisch, Obst und Käse herein. Außerdem zwei Brotlaibe und sogar einen Kuchen. Plötzlich überfiel Anna ein unbezähmbarer Heißhunger.
Friedrich hielt Wortwin die getauchte Feder hin , und der Schneider unterzeichnete die Urkunde. Dann setzte der Kaiser selbst sein Zeichen, legte die Feder beiseite und nahm sich ein großes Stück Kuchen.
“So gern ich noch bliebe, ich habe noch andere Pflichten, nun, da du ordnungsgemäß vermählt bist. Werte Braut, werter Bräutigam – erlaubt mir, mich zurückzuziehen.”
Er nickte Anna und Meister Spierl zu, dann waren sie mit dem Zunftmeister allein .
In der plötzlichen Stille löste sich bei allen dreien die Anspannung. Wortwin stellte sich zu Meister Spierl und fragte ihn nach dem Gewerbe in Trier aus. Hungrig, wie sie war, verspeiste Anna in kürzester Zeit ein Hühnerbein und ein Stück Kuchen.
Sie war offenbar eingenickt. Das Raunen der Männerstimmen, die hastige Mahlzeit und die Erleichterung nach der großen Anspannung hatten sie eingehüllt wie eine weiche Decke. Wortwin war gegangen, der Meister lag im Bett und hatte die Augen geschlossen. Anna trug die Reste des Festmahles zusammen und summte leise vor sich hin. Sie deckte den Meister zu und strich ihm über die feuchte Stirn. Wer hätte gedacht, dass er noch so voller Leben steckte? Vielleicht blieb er bei Kräften, bis sie ihn zu Wiffi nach Hause gebracht hätte. Ihr Blick fiel auf die Urkunde. Die Buchstaben ihres Vornamens kannte sie, auch der Schriftzug ihres Vaternamens Wille war ihr vertraut. Doch nun stand hinter dem Namen Anna ein anderer Schriftzug, das musste der des Meisters sein. Sacht strich sie über die trockene Tinte – damit
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