Die Gewandschneiderin (German Edition)
stieg in ihr auf. Das hatte sie dem Kaiser nicht erzählt.
Die nächsten Worte rauschten an ihr vorbei. “Warum hast du diesen Ratsherrn nicht mitgebracht, wenn er alles bezeugen kann?”, knurrte Friedrich.
“Er ist … ähm … erschlagen worden. Aber seine Witwe hat mir alles genau berichtet, Ihr könnt es nachprüfen lassen.”
Der Kaiser winkte zum Zeichen , dass Heinz fortfahren solle.
“Ich hatte seltene Stoffe an der jeverschen Küste abzuholen . Die frisch Verwitwete wartete ebenfalls auf das Löschen der Ladung. Sie musste ihre Ware selbst abholen, weil ihr neues Lehrmädchen schon seit Tagen nicht zur Arbeit erschienen war. Wir kamen ins Gespräch darüber, wie schwer es ist, fleißige Lehrlinge zu finden ...”
“Komm auf den Punkt !”, herrschte Friedrich den Tuchhändler an.
“Das ist wichtig. Dann hat sie erzählt, dass eines ihrer Lehrmädchen namens Anna sogar der Hexerei angeklagt war. Ich wusste, dass mein Weib …” Friedrich zog die Augenbrauen hoch, Heinz schluckte. “ …dass Anna aus Jever stammt. Deshalb fragte ich nach. Und tatsächlich, es handelte sich um die gleiche Person. Auch in Jever als Hexe gesucht.”
Friedrichs Gesicht hatte eine unnatürliche Blässe angenommen. “Hinaus. Alle!”, stieß er hervor und wandte sich Anna zu. “ Du bleibst.”
Anna verschränkte die Hände vor der Brust, den Kopf hielt sie gesenkt. Sie wollte weder Petrus de Vinea noch Heinz ins Gesicht sehen. Erst als die Tür sich mit lautem Knall geschlossen hatte und sie mit dem Kaiser allein war, hob sie den Kopf. Es war ihr gleichgültig, was er mit ihr vorhatte, sie wollte nur wissen, wie es dem Hund ging. “Majestät“, flehte sie ihn an, „bevor Ihr mich richtet, lasst mich nur eine Frage stellen – bitte!”
Den Kaiser hielt es nicht an seinem Platz. Er wanderte hin und wieder zurück, die Hände auf dem Rücken, bevor er antwortete. “Ich kann mich nicht entscheiden, ob du frech oder mutig bist. Meinst du nicht, es stünde mir zu, Fragen zu stellen?”
Anna ging nicht darauf ein. “Bitte!”
“Frag!”
Erleichtert stie ß Anna die Luft aus. “Wie geht es Falke? Heinz hatte ihn so festgezurrt, dass ich ihn nicht losbinden konnte. Ich musste mit einer Sense oben am Balken das Band durchschlagen. Er ist doch noch so klein, ich weiß nicht, ob sein Hals den Ruck ausgehalten hat …” Zornig wischte sie sich eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel.
Friedrich blieb stehen und grinste breit. “Du hast den mächtigsten Herrscher der gesamten christlichen Welt belogen und verärgert , und deine einzige Sorge gilt dem Hals eines Hundes?”
“Ich hatte jemandem versprochen , auf ihn achtzugeben”, murmelte Anna kleinlaut.
Friedrich nahm seine Wanderung wieder auf . Das Grinsen hatte sich so plötzlich verzogen wie die Sonne an einem Apriltag. “Du hattest auch versprochen, zu mir zu kommen, wenn der Wahnsinnige wieder auftaucht.” Er wedelte mit dem Pergament, mit dem Anna in den Schuppen gelockt worden war. “Wäre Alimah nicht sofort zu mir gekommen, hätte der Narr sein Gottesurteil vollzogen.“
“Ich musste es tun. Es stand darauf, dass ich allein kommen muss . Ihr hättet mich niemals gehen lassen.”
Friedrich rieb sich das Kinn und seufzte.
Anna versuchte es weiter. “Schon auf der Bank im Garten hatte ich Angst, dass Ihr mir nicht glaubt. Bei der Erwähnung der ersten Anschuldigung wart Ihr misstrauisch.” Und unerträglich kalt, fügte sie in Gedanken hinzu. „Hättet Ihr mir denn bei einer zweiten Anschuldigung immer noch geglaubt? Bitte, denkt nicht schlecht von mir! Ich habe mich nur nicht getraut, Euch davon zu berichten.”
Die Miene des Kaisers war undurchdringlich. “Dann
tu’s jetzt!”
Anna erzählte ihm die Geschichte von Anfang an. Gilberts Annäherungsversuche erwähnte sie noch mit stockender Stimme, aber dann brach alles aus ihr heraus. Der Brand, die Anklage, die Verhandlung. Wie Wulf erpresst wurde, sich für das Gottesurteil zu entscheiden, damit seine Tochter nicht in die Fänge des Ratsherrn geriet. Die Wasserprobe und der Tod des Vaters. Selbst den dicken Mönch Johann, Marie und Maffrit vergaß sie nicht, um diesmal nur ja nichts auszulassen.
“Und deshalb habe ich nicht alles erzählt. Vielleicht stimmt wirklich etwas nicht mit mir, ich bringe allen nur Unglück. Kann man eine Hexe sein, ohne es zu wissen?”
Friedrich runzelte die Stirn. “Ich glaube nicht.”
Er schien nicht mehr zornig zu sein, aber der Ausdruck auf seinem
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