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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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zugeben. Ihr wurden die Knie weich.
„Was hast du dazu zu sagen?“, wandte sich Gilbert an den Baumeister.
„Ich hätte Liswetha doch nie etwas getan! Arnulf ist … er war … wir sind Freunde! Er ist nur ganz verwirrt vor Kummer. Das Wasser ist gegen seine Frau geschwappt, weil sie mich angefleht hat, ihrem Mann zu helfen, und dabei gegen mich gerannt ist. Ich habe ihn aus dem brennenden Rohbau gerettet und zu seiner Frau gebracht“, erklärte Wulf.
„Woher wusstest du, dass sie in Gefahr war?“, polterte Gilbert.
Auch Wulf wurde nun lauter. „Die Amme hat es mir gesagt! Das mit den Wangen kommt vom Fieber, hat sie gesagt, das ist nicht gut. Und dass sie noch nicht über den Berg sei, die Liswetha.“
„Du hast also nichts getan, um ihr zu schaden?“, fragte Gilbert.
„Nein, wenn ich es doch sage. Ich habe Arnulf nach dem Kirchgang sogar gedeckt, weil er schon wieder nicht im Gottesdienst war - er hatte es der armen Liswetha versprochen, und die Amme hatte verboten, dass sie sich aufregt.“
Schrilles Kreischen gellte durch den Raum, und Anna wich unwillkürlich von der Fensteröffnung weg.
„Das ist nicht der Grund, das ist nicht der Grund!“ Lautes Gepolter mischte sich mit den Schreien. „Du hast sie getötet, du bist ein Hexer! Du hast mich verhext, damit ich zu dieser Hure schleiche, während alle im Gottesdienst sind, während die arme Liswetha daniederliegt. Du bist schuld! Du hast mich verhext!“ Die Schreie verebbten, eine Tür knallte. Jemand brachte Arnulf hinaus. Anna lauschte sprungbereit und spähte zum Weg hinüber. Doch die Schritte schienen sich in die andere Richtung zu bewegen. Anna atmete tief durch. Sie wandte sich wieder dem Fenster zu.
„Hm. Gunda, wie lange bist du schon Hebamme?“, fragte Gilbert.
„Nun, dich habe ich auch auf die Welt gezogen. Schon eine ganze Weile her“, antwortete die Hebamme.
„Glaubst du, der Baumeister hat Liswetha und Arnulf verhext?“, forschte Gilbert.
„Ich habe viele Frauen sterben sehen, und bei Liswetha war es nicht anders. Wehen, Krämpfe, Blutabgang trotz der Ruhe, die ich ihr verordnet hatte. Und dann die Aufregung am Brandtag! Und Arnulf? Muss man einen Mann verhexen, damit er zu einer Hure geht, wenn er dem eigenen Weib nicht beiwohnen kann? Dann gibt es wohl mehr Hexer, als ich dachte.“
Einige lachten. Unbeirrt fuhr die Amme fort.
„Es war gewiss nicht die Schuld vom Baumeister – es sei denn, er hätte ihr heimlich das Kind gemacht …“
„Hüte deine spöttische Zunge, Hebamme“, grummelte Gilbert. „Du musst während einer Anhörung nicht frech werden.“
„Schon gut, reg dich nicht auf. Ohne die Hilfe des Baumeisters wär Arnulf jetzt genauso tot wie sein Weib. Weiß Gott, ob das nicht besser für ihn gewesen wäre.“ Ein Klatschen war zu hören, und Anna musste trotz der Anspannung lächeln. Sie kannte dieses Geräusch - die Hebamme hatte auf den Boden gespuckt. Das würde Orttraut nachher wegputzen müssen.
„Baumeister, willst du noch etwas zu deiner Entlastung vorbringen?“, fragte Gilbert.
„Nein, es ist so, wie die Amme gesagt hat - ich habe nichts damit zu tun.“
„Ich habe genug gehört“, erklärte Gilbert. „Wir machen eine Pause. Danach gebe ich die Entscheidung bekannt. Hein, führ Baumeister Wille an die frische Luft, aber lass ihn nicht aus den Augen.“
Anna wollte schon auf die Tür zulaufen, um ihren Vater zu begrüßen, da stutzte sie. Gilberts Stimme drang aus dem Fenster über ihr. Der Ratsherr musste sich in dem zweiten Raum des Hauses aufhalten, den sie noch nie betreten hatte. Alle Arbeiten wurden in der großen Nähstube verrichtet, in der auch die Versammlung stattfand. Dicht an die Wand gepresst, lauschte sie. Eine zweite Stimme war zu vernehmen. Orttraut.
„Willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Das mit den jungen Mädchen muss endlich aufhören“, flehte Orttraut.
„Weib, ich habe meine Entscheidung getroffen. Das Kind kommt zu uns“, antwortete der Ratsherr gedämpft.
„Wäre es nicht besser, wenn sie zu den Benediktinerinnen geht, für die Zeit bis …“
Gilbert unterbrach seine Frau so leise, dass Anna nicht alles verstand.
„Weil … will. Muss ich … Peitsche daran erinnern … zu gehorchen hast?“ Ein dumpfes Krachen, dann Stille.
Urteil
     
    Anna sprang auf und lugte um die Ecke, doch das helle Haupt ihres Vaters war nirgends zu sehen.
    „Es geht weiter, hin ein mit euch!“, rief der Schuster. Sie wartete, bis die Teilnehmer der

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