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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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Anhörung durch die Tür getreten waren, und bezog Stellung unter dem Fenster der Nähstube. Keinen Moment zu früh, denn schon vernahm sie Gilberts Stimme.
„ … dass ich nicht sagen kann, ob Baumeister Wille sich der Anklagepunkte schuldig gemacht hat oder nicht. Aus diesem Grund wird er bis zum nächsten Thing eingesperrt, und dann wird neu verhandelt - unter der Gerichtslinde am Ende der Thingfrist.“
Etwas Schweres polterte.
„Unmöglich!“, rief Wulf mit zitternder Stimme. „Ich kann meine Tochter nicht so lange allein lassen. Und auf der Baustelle muss jemand die Aufräumarbeiten überwachen und …“
„Mach dir keine Sorgen. Als gottesfürchtige Menschen“ – Gilbert geriet ins Stocken - „helfen wir selbstverständlich. Mein Weib nimmt deine Tochter wieder als Lehrmädchen auf. Und diesmal wohnt sie bei uns, wie es sich gehört.“
„Nein!“, schrie Wulf. „Das lasse ich nicht zu, du niederträchtiger Lump! Du willst dich nur an ihr vergehen!“
Das Hämmern dröhnte in Annas Ohren. Ihre Gedanken rasten.
    „ Rede keinen Unsinn, Mann! Ich habe ein Weib, im Gegensatz zu dir“, höhnte der Ratsherr.
„Du bist nur wütend, weil ich dich niedergeschlagen habe. Seht ihr das Auge? Da hat meine Faust ihn getroffen!“, rief Wulf.
Wieder der Hammer.
    „Ich bin gefallen, Orttraut kann es bestätigen, stimmt´s, Weib?“
Stille.
„Orttraut!“, donnerte der Ratsherr.
„Ja, ja doch … Es ist, wie er sagt - er ist gefallen.“
„Da seht ihr es. Also, Baumeister, sei unbesorgt, wir kümmern uns um deine Kleine!“, rief Gilbert.
Anna rang nach Luft und wollte ihren Ohren nicht trauen.
„Und mäßige dich in deiner Ausdrucksweise!“, hörte sie den Ratsherrn von Neuem poltern. „Sonst lasse ich dich auspeitschen. Es gibt keinen Grund, so herumzuschreien. Schließlich wollen wir dir nur helfen“, feixte Gilbert.
Anna stöhnte. War dies die Rache dafür, dass Wulf den Ratsherrn niedergeschlagen hatte? Hatte Gilbert das Feuer gar selbst gelegt?
    Johanns tiefe Stimme dröhnte durch den Raum. „Ratsherr Gilbert, vielleicht könnte man den Baumeister bis zum Thing auf freiem Fuß lassen. Wohin sollte er im Winter denn fliehen?“
„Leider, lieber Bruder Johann, kann ich das nicht erlauben. Hexerei ist eine schwere Anschuldigung, und ich konnte seine Unschuld nicht beweisen“, antwortete Gilbert. Wirres Gemurmel drang aus dem Fenster.
In Anna brodelte es. Leider? Dieser Lügner!
„Es gibt jedoch eine Möglichkeit. Sie wird hier nicht oft angewandt, ist aber rechtens. Wenn du nicht warten willst …“ Gilbert zog die Redepause in die Länge, bis atemlose Stille herrschte. „ …dann kannst du dich einem Gottesurteil stellen.“
    „Ich wähle das Gottesurteil, ich habe nichts Böses getan. Gott weiß das, er wird mir beistehen.“ Die nächsten Worte waren nur noch ein Flüstern, doch Anna hörte es deutlich. „Er muss uns beistehen …“
„Wenn du das Gottesurteil überstehst, bist du frei. Wenn Gott dich abweist, müssen wir prüfen, ob auch deine Tochter eine Hexe ist.“
Wulf stöhnte auf.
„Als Gottesurteil bestimme ich, ihn in einem Käfig unterzutauchen“, fuhr Gilbert fort. „Öffnet sich die Tür, kann er nach oben kommen und ist entlastet. Weiter sind dem Baumeister die Hände zu binden, denn nur so offenbart sich, ob Gott tatsächlich gewirkt hat.“ Der Ratsherr legte eine kurze Pause ein, und erneut war das Klacken eines Kruges gegen einen Becher zu hören. „Damit Zeit bleibt, um den Käfig zu zimmern, findet das Gottesurteil im Morgengrauen statt. Bis dahin ist Baumeister Wille in einer der Bauarbeiterhütten einzusperren und zu bewachen. Die Versammlung ist geschlossen.“
Im Raum erhob sich ein erregtes Scharren und Murmeln. Anna flitzte davon und zwängte sich durch die Lücke in der Hecke wieder nach draußen.
    Aus der Hütte drang ein verführerischer Duft, und trotz aller Bedrängnis lief Anna das Wasser im Mund zusammen. Rahardta stand am Feuer und rührte im Kessel. Dann stellte sie wortlos eine Schale Suppe auf den Tisch und legte einen Kanten Brot daneben. Anna schlang das Essen so gierig hinunter, dass sie es erst beim Nachschlag bemerkte: Zwischen dem bunten Gemüse schwamm Hühnchenfleisch!
„Hast du ein Huhn geschlachtet?“, fragte sie die Alte.
„Hm. Eine gute Suppe hilft nun einmal gegen alles.“ Stöhnend ließ sich Rahardta neben Anna auf der Bank nieder. „Erzählst du mir endlich, wo du warst?“
Der ungewohnt weiche Ton brach

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