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Die Gewandschneiderin (German Edition)

Die Gewandschneiderin (German Edition)

Titel: Die Gewandschneiderin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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fest.
    „Nun, Anna, bist du bereit für deinen ersten großen Ausflug durch das Kloster?“ , fragte Hethel fröhlich.
„Gewiss.“ Anna räusperte sich. Es war das erste Mal, dass sie mit Hethel ganz allein war, und sie hatte ihr noch nicht gedankt, weder für den Fisch noch für die Rettung aus dem Fluss. „Schwester Hethel, ich möchte mich von ganzem Herzen bedanken, es …“
„Schon gut. Wenn es Gott gefällt, ist mir das Dank genug. Außerdem könnte ich nicht mehr in der Hase fischen, wenn du da ertrunken wärst.“ Sie schüttelte sich. „Es war also auch in meinem Sinn, dich da herauszuholen, bevor die Bachforellen dich angeknabbert hätten.“ Sie kicherte. Anna musste ebenfalls lachen.
„Komm, wir wollen Theodora nicht warten lassen.“ Hethel ging voraus, und Anna folgte ihr neugierig, das Gewand über dem Arm. Der enge Gang zur Linken war ihr bekannt, er endete an der Tür, die zum Hof und zu den Ställen führte. Aber Hethel bog flink nach rechts ab, und Anna beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten.
„Es ist ja nicht sonderlich weit, aber du kannst dich hier schon arg verlaufen, wenn du nicht aufpasst. Das ist mir am Anfang sogar mehrmals passiert. So ein Kloster ist kein ungefährlicher Ort.“ Sie kicherte erneut.
„Warum bist du im Kloster? Wolltest du schon immer Nonne werden?“
Hethel schnaubte. „Das gerade nicht. Mein Bruder erbt den Hof, und mich hat Vater ins Kloster eingekauft. Hätte ich eigenes Geld, wäre ich schon weg.” Anna war bei diesen Worten zusammengezuckt, aber Hethel merkte nichts, sie plapperte munter weiter. “Wenn wenigstens Ragnhild nicht wäre, mit den anderen komme ich zur Not aus.“
Anna schnaubte zustimmend, beschleunigte ihre Schritte und eilte hinter der jungen Nonne her.
    „Und das s es hier keine Männer gibt, ist so eintönig. Ich spüle mir die Haare mit Kamille, damit sie glänzen, aber unter der dummen Haube sieht es niemand. Und die Frauen hier sprechen immer über das Gleiche. Arbeiten, beten, arbeiten, beten … Ich kann es nicht mehr hören.“
Anna schüttelte sich. Dass es hier keine Männer gab, machte das Klosterleben nur umso verlockender. Und die Gespräche mit Theodora hatte sie nicht als eintönig empfunden.
„Was ist mit Theodora?“, fragte Anna.
„Die ist ganz nett.“
„Das meine ich nicht. Alle behandeln sie so … vorsichtig.“
Die sonst so heitere Hethel seufzte, und sie klang ehrlich betrübt. „Theodora kommt aus einer angesehenen Familie, aber ihre Verwandten sind arm und können keinen Einstand zahlen. Der Abt von Kamp, unser Vaterabt, hat sie nur auf Probe aufgenommen. Ob sie bleiben darf …“
    I n Annas Kopf überschlug sich alles, endlich ergaben die Andeutungen einen Sinn.
    „ …hängt davon ab, ob der Abt mit ihr als Vorsteherin
    der Nähstube zufrieden ist“ , beendete sie Hethels Satz.
„Genau. Deshalb dürfen wir ihr auch nicht helfen. Ragnhild sagt, entweder sie mehrt Gottes Gut, oder sie dient ihm besonders eifrig. Sonst muss sie weg. Aber sie kommt nicht voran mit der Robe, ich weiß nicht warum.“
Hethel hielt so unvermittelt inne, dass Anna gegen sie prallte. Sie standen vor einer Tür, das musste die Nähstube sein.
„Entschuldigung“, murmelte Anna, doch Hethel hatte sie nicht gehört, sie pochte bereits gegen das dunkle Holz.
„Ja.“
Die junge Ordensfrau öffnete die Tür einen Spaltbreit. Anna wartete, dass sie eintrat, doch sie wich zur Seite und schob Anna aufmunternd über die Schwelle.
„Geh!“
„Kommst du nicht mit hinein?“
„Nein. Gutes Gelingen …“
     
Die Heilige und der Händler
     
    Anna betrat die Nähstube und zuckte zusammen, als die schwere Tür hinter ihr zugezogen wurde. Der Raum war größer, als sie vermutet hatte, und ein großer Kamin spendete wohlige Wärme. So viele Regale und Borde bedeckten die Wände, dass kaum etwas von dem grauen Mauerwerk zu sehen war. Unzählige Stoffballen und verschnürte Päckchen, Rollen mit Bändern und Borten füllten die Bretter. Eine Regalwand bestand aus einem flachen Brett, in das Nägel eingeschlagen waren, und Anna stockte der Atem. Dort hingen nicht zwei oder drei Scheren wie bei Orttraut. Nein, die ganze Wand war bestückt mit Bügelscheren in allen Größen! Von der kleinsten Garnschere bis zur Tuchschere, so lang wie Annas Unterarm, war alles mehrfach vorhanden. Unter dem Brett standen etliche Filzkugeln, und in jeder Kugel steckten Nadeln in den verschiedensten Längen und Dicken. Genau wie die Scheren

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