Die Gezeiten von Kregen
wehren?«
»Versuchen müssen Sie es, wenn das Ihr Wille ist. Dabei erhalten Sie vielleicht Hilfe von ...« Sie stockte und glättete nachdenklich die Falten ihres Mantels. Der schwarze Stoff schimmerte im Licht der Lampen. »Ich kann sagen, daß die Herren der Sterne an manchem Ihrer Mißgeschicke nur zum Teil schuld sind, sie sind nicht allmächtig auf Kregen – wer ist das schon? –, und eine starke Willensanstrengung kann ihren Einfluß schwächen.«
»Sie wollen mir nicht mehr über ihre Ziele verraten?«
»Sie brauchen nur die Augen zu öffnen – es gibt viele Hinweise darauf.« In ihre Stimme stahl sich ein ungeduldiger Unterton. »Und damit genug. Nur noch eins: auch die Herren der Sterne sind untereinander uneins. Und noch etwas: würde ich Ihnen sagen, was sie wohl vorhaben, dann könnte es, so wie sie gestimmt sind, dazu kommen, daß sie schließlich doch etwas ganz anderes tun.«
»Nur so, zum Trotz? Würden die Herren der Sterne ... aus Trotz handeln?«
»Nicht aus Trotz, Sie Onker!«
Nun mußte ich doch lächeln. Wie vertraut mir solche Worte waren!
Sie sah sich im Zimmer um und betrachtete die wenigen Besitztümer, die ich angesammelt hatte. »Ich muß die armen Fambly wecken. Ihr Dr. Quinney hat sich als hervorragender Ponsho erwiesen, Pur Dray.«
Ich brachte es nur fertig, wortlos zu nicken.
»Zunächst aber haben Sie sich das unangenehme Duell auf den Hals geladen. Und danach – wer weiß? Vielleicht spielt auch Grodno mit in die Sache hinein; es hat schon seltsamere Dinge gegeben.«
Ich wagte einen Vorstoß, der sich als katastrophal erweisen mochte, denn ihre Hand schlüpfte bereits unter den Umhang. Sie machte Anstalten, meine Gäste zu wecken. »Und Lem der Silber-Leem?« fragte ich. »Haben Sie ...?«
Ihre braunen Augen blitzten mich zwingend an. »Wenn Sie Leem völlig vernichten«, sagte sie mit einem Zorn, der nicht zu überhören war, »ständen Sie vor den Kregern wirklich vorzüglich da – und auch vor den Erdenvölkern!«
Ehe ich fragen konnte, was sie mit diesen angsteinflößenden Worten meinte, setzte sich Dr. Quinney in Bewegung, die anderen liefen durcheinander, und die lebhaften Gespräche kreisten um die Ankunft der sensationellen Madame Iwanowna.
Die nachfolgende Zusammenkunft war natürlich bedeutungslos. Was für Gedanken, was für Vorstellungen und Mutmaßungen zuckten mir durch den schmerzenden Kopf!
Schließlich gingen die Dinge ihrem Höhepunkt entgegen, und eine Astralstimme sprach aus Madame Iwanowna, die ihre Rolle als Medium spielte; diese Stimme ließ die Anwesenden erschaudern und sorgte dafür, daß sich Dr. Quinney ein hohes Honorar von mir ausrechnen konnte. Schließlich hieß es Abschied nehmen. Niemand hatte zu den Erfrischungen gegriffen, die Mrs. Benton bereitgestellt hatte. Ich gab meinen Gästen die Hand und führte sie hinaus. Zena Iztar bedachte mich im Vorbeigehen mit einem Lächeln, das sofort wieder verschwunden war.
»Gute Nacht, Mr. Prescot.« Sie stand dicht vor mir und beugte sich noch ein wenig näher heran, und ihre nächsten Worte waren nur für mich bestimmt: »Remberee, Dray Prescot, Krozair von Zy. Remberee.«
Unter ihrem Mantel blitzte etwas auf. Eine winzige Brosche schimmerte dort an ihrem Dekolleté, die juwelenbesetzte Darstellung eines Zahnrades. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, was dieses so seltsam technische Symbol bei einer Frau wie ihr zu suchen hatte, die sich mit Magie befaßte. Dann war sie fort, und als letzter stand Dr. Quinney vor mir. Der Scheck wurde ausgeschrieben, die Tinte mit dem Löscher getrocknet. Quinney nahm die Zahlung entgegen wie ein Mann, der in der heißen Wüste südlich von Sanurkazz eine Wasserflasche gereicht bekommt.
»Schade«, sagte er und faltete das Papier, »daß seine Lordschaft heute nicht bei uns sein konnten.«
»Schade«, sagte ich.
»Wie man hört, ist er nach Boulogne abgereist.«
»Ach? Zweifellos hat er dort etwas zu erledigen.«
Während sich Dr. Quinney verabschiedete, faßte ich den Entschluß, niemandem zu verraten, daß ich morgen ebenfalls mit der Postkutsche nach Boulogne fahren wollte.
Wenn Sie glauben, daß ich in dieser Nacht schlafen konnte, so dürften Sie recht haben – denn die weiteren Ereignisse vergingen wie im Traum, bis mir zu Bewußtsein kam, daß ich mich in Boulogne aufhielt und eine Verabredung mit dem herausgeputzten Laffen hatte – am nächsten Morgen beim ersten Morgengrauen, wenn die Luft noch kühl und frisch war und wir keine
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