Die Gift-Party - Rauschgift-Razzia im Internat - Taschengeld für ein Gespenst
Leine, rasch ins Halsband geschlungen,
das andere Ende um einen dünnen Stamm festgezurrt.
Tim
hechtete zu den Gleisen zurück. Der Hosenbund saß auch ohne Gürtel eng. Keine
Behinderung.
Tim rannte
zu dem winselnden Hund.
Er war
festgebunden auf den Schienen, war verschnürt wie ein Paket — ein junger Boxer
oder Boxer-Mischling — mit spitzen Ohren und goldbraunem Fell. Ein Rüde.
Unbeschreibliche
Empfindungen wirbelten in Tims Kopf durcheinander. Welches Scheusal, welcher
Tierquäler — Tiermörder — hatte den Vierbeiner an die Schienen gefesselt?
Jetzt war
Tim bei ihm.
Im selben
Moment tauchte der Zug in der Biegung auf — keine 200 Meter entfernt.
„Ganz
ruhig!“
Tim kniete
neben ihm. Stricke, feste Knoten. Das Aufdröseln hätte Minuten gedauert.
Tims Hand
fuhr in die Hosentasche — aber er wusste schon: Sein Taschenmesser lag im
ADLERNEST, in der Internats-Bude. Diese Jeans hatten zu kleine Taschen. Deshalb
war nur das Nötigste drin.
Blick nach
links.
Noch 150
Meter war der Zug entfernt — nein, 120 — höchstens.
Den Hund
durch die Schlingen ziehen?
Unmöglich!
Eine schlang sich eng um den Hals, andere schnürten den Körper ein.
Mit beiden
Händen griff Tim in eine Schlinge.
Entweder es
gelang ihm, den Strick zu zerreißen, oder alles war vergebens.
Der
TKKG-Häuptling kauerte wie ein Gewichtheber, der die höchste Last seines Lebens
stemmen will.
Alles
spannte sich: Beinmuskeln, Kreuz, Rücken — wurden die Arme länger? Ein Knacken.
Waren dies die Gelenke oder die Fasern aus Hanf? Jeder Muskel verschmolz zu
einer einzigen riesigen Anstrengung. Der Strick schnitt in Tims abgehärtete —
ja verhornte Handflächen, dass der Schmerz fast die Finger abtrennte.
Und ruck!
Und ruck! Und ruck! Du reißt! Du reißt durch!
Der Strick
scheuerte an den scharfen Kanten des Gleises.
Ein Blick.
Noch 60 Meter — allenfalls — war der Zug entfernt.
Warum sieht
der Lok-Führer mich nicht?
Jetzt,
dachte Tim, jetzt zerreiße ich die Strippe — und wenn die Schiene rausfliegt!
Das Blut
schien aus den Fingerkuppen zu schießen. Dann knirschten die Fasern, zirpten,
als sie rissen, und gaben sich besiegt. Der Strick zerriss. Ein dicker Strick —
eigentlich zu dick zum Zerreißen. Unter anderen Umständen — zum Beispiel bei
einer Wette — hätte Tim sich an den Kopf getippt und gesagt: ,Mach das vor.’
Aber jetzt... Der Strick riss tatsächlich. Noch etwas anderes als Körperkraft
war beteiligt gewesen. Später dachte der TKKG-Häuptling lange darüber nach.
Nun — des
Widerstandes beraubt — schnellte er hoch und wäre fast auf den Rücken
gepurzelt.
Stattdessen
beugte er sich über den Hund, lockerte die Schlingen und zerrte das Tier vom
Gleis — in derselben Sekunde, da der Zug heran war.
Mit dem
Boxer in den Armen warf Tim sich zurück.
Er fiel auf
den Rücken — das zappelnde Bündel hielt er fest.
Keine 20
Zentimeter vor Tims Fußspitzen fuhr der Zug vorbei.
Blinkende
Fenster, Türen, Wagen um Wagen. Waren da Gesichter?
Räder
zerfetzten die Schlingen, die noch an den Gleisen hingen. Ein Stück — vom Hals
des Hundes bis zu Tims Fußspitzen — blieb in voller Länge erhalten: das
richtige Maß für eine Hundeleine.
Und weg war
er, der Zug.
Tim lag auf
dem Rücken. Der Boxer, jetzt am Leinen-Strick gehalten, stand auf seiner Brust
und sah auf ihn herunter. Dunkle Lefzen hingen, die Nase schnupperte, große
traurige Hundeaugen schienen zu sagen: Danke, Kumpel! Dann leckte der Boxer Tim
das Gesicht — vorsichtig, als wollte er erstmal ausprobieren, wie so ein Lebensretter
schmeckt.
Tim begann
zu lachen. Nach einer Weile hob er seinen Schützling herunter und stand auf.
„Hund, das
war knapp.“
Er war
überwiegend Boxer, aber auch ein bisschen Labrador oder Pointer, etwa acht
Monate alt und entzückend. Sofort warf er sich mit der Flanke an Tims Knie, was
eine zärtliche und sehr vertrauensvolle Geste ist.
„Hat dich
dein Herrchen hier festgebunden?“ fragte Tim finster und tätschelte ihm den
Kopf. „Oder wem verdankst du das?“
Der Boxer
winselte. Dann winselte auch Oskar.
Mit dem
einen Hund am Leinen-Strick, mit dem anderen am Gürtel, trat Tim den Rückweg
an.
Der Boxer
sprang fröhlich umher und forderte Oskar zum Spielen auf. Mal wickelte sich der
Strick, mal der Gürtel um Tims Beine.
Es ging
lustig zu, aber Tim konnte nicht lachen.
2. Spinner mit
grauem Auto
Gaby
weinte.
Sie wollte
es nicht — wie sah denn das aus vor den Jungs! aber sie
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