Die Gift-Party - Rauschgift-Razzia im Internat - Taschengeld für ein Gespenst
der Mauerecke. Tim benutzte den Sattel
— hirschledergepolstert — als Unterlage und kritzelte: Kommt zu dem roten
Backsteinhaus am Ende der Straße. Tim.
Den Zettel
spießte er mit einem Holzsplitter an die Mauer neben der Durchfahrt, wo im
Zement zahlreiche Risse waren.
Hoffentlich
entdeckten Gaby, Karl und Klößchen die Nachricht.
Tim sauste
weiter.
Bis zum
Ende der Straße, das war fast ein Kilometer. Parkte dort ein grauer Ford? Tim
spähte. Fünf oder sechs Wagen konnte er ausmachen. Aber keiner war grau. Dann
hatte der TKKG-Häuptling das Backsteinhaus erreicht. Es war mehr braun als rot,
eine Folge vom Ruß in der Fuft. Kein Regen wusch den runter.
Der
Vorgarten war nur so breit wie zwei Handtücher. Eine grauweiß-gestreifte Katze
schlich hinter dem Zaun entlang, verharrte einen Moment und musterte Tim aus
scheinbar glühenden Augen.
Er schob
sein Rad durch die Einfahrt zur Haustür, die seitlich war und einen Windfang
hatte aus billigen Plastikwänden. Eine Frau säuberte den Fußabtreter, indem sie
ihn gegen die Mauer schlug. Der Fußmatte half das nicht viel, die Mauer wurde
noch schmutziger, und durch die Luft zogen Staubwolken.
Tim grüßte,
und die Frau hielt inne. Sie hatte die besten Jahre ihres Lebens schon hinter
sich und einen enttäuschten Ausdruck um den Mund.
„Wohnt hier
Petra Kurzameter?“ fragte Tim.
Sie nickte
mit ihrer Zottelfrisur. „Kommen noch mehr, die nach ihr fragen?“
Tim begriff
sofort. „Es war schon jemand da, wie? Ein Glatzkopf im grauen Westenanzug.“
„Du sagst
es. Dem habe ich erklärt, dass sie zwar hier wohnt, aber in letzter Zeit selten
nach Hause kommt. Außerdem ist sie nur abends da — wenn überhaupt. Tagsüber
arbeitet sie als Verkäuferin im Kaufhaus Billstock.“
„In welcher
Abteilung?“
„Keine
Ahnung. Begegnet bin ich der Petra dort noch nie. Was willst du denn von ihr?“
„Es geht um
eine Auskunft.“
„Kannst es
ja machen wie der Mann vorhin. Der hat eine Nachricht hinterlassen.“
„Tatsächlich.
Wo denn?“
„Ich
glaube, er hat ihr einen Zettel unter der Wohnungstür durchgeschoben.
Jedenfalls bat er mich, ihn reinzulassen ins Haus, und dann ist er hochgegangen
zu ihr. Petra wohnt ganz oben. Drei Treppen — die Dachwohnung links. Sind nur
zwei kleine Zimmer. Im Hochsommer hält man’s dort vor Hitze nicht aus.“
Die
Gedanken klickten hinter Tims Stirn. Aber seine Miene blieb locker, und beim
Lächeln verbrauchte er seinen ganzen Vorrat an Liebenswürdigkeit.
„Eine gute
Idee. Zettel unter die Tür. Ich schiebe meinen dazu. Ich darf mal ins Haus,
ja?“
Sie hatte
nichts dagegen und setzte das Fußmatten-Klatschen fort.
Tim floh
ins Haus, wo der Staub nicht mülmte, sondern ganz ruhig auf Fensterbänken und
dem Treppengeländer lag. Drei Treppen! Tim spurtete hinauf. Im Dachgeschoss war
der Flur schmal, düster und kirchenstill. Die Wohnung rechts hatte zur Zeit
keinen Mieter. Jedenfalls steckte kein Namensschild in dem kleinen
Messingrahmen der Tür. Am Türknauf — abgegriffenes Messing — hing eine
Bindfaden-Schlinge mit fünf Schlüsseln. Der Hausmeister — oder wer auch immer
für die leerstehende Wohnung verantwortlich war — machte es sich leicht.
Tim kniete
vor Petras Wohnungstür.
Durch den
Spalt unten konnte man einen Zettel schieben, aber keinen Finger. Nichts war zu
sehen. Und kein Instrument zur Hand, um nach einem Zettel zu angeln, der dort
angeblich liegen sollte.
Tim wollte
sich aufrichten. Dabei stützte er sich gegen die Tür.
Es knackte
im Schloss. Sie gab nach und öffnete sich.
Verblüfft
schraubte er sich hoch. Und dann sah er’s. Das Schloss war beschädigt. Der Typ
hatte die Tür aufgebrochen, und dazu nur die Schulter gebraucht. Mehr als ein
kräftiger Stoß war nicht nötig.
Tim hielt
den Atem an. War der Kerl noch in der Wohnung? Natürlich lag nichts auf dem
Boden, jedenfalls kein Zettel. Und totale Stille drang aus allen Ecken. Hier
war niemand mehr.
Es gab
keine Diele. Man trat gleich ins Wohnzimmer. Aber wie sah es hier aus! Viel
Zeit hatte der Typ nicht gehabt. Trotzdem war es ihm gelungen, sämtliche
Schranktüren und Schubläden zu öffnen. Der Inhalt verstreute sich über den
Boden: Wäsche, Pullover, Handtücher, Bücher, Schreibutensilien, Fotoalben — was
der Mensch so braucht, wenn er, wie Petra, allein lebt. Ein wüstes
Durcheinander. Und Tim wusste, wonach dieser Mistkerl gesucht hatte.
War er
fündig geworden?
Tim trat
ein, sah sich um, rührte aber nichts an.
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