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Die Giftköchin

Die Giftköchin

Titel: Die Giftköchin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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nicht zurück, als das Auto abfuhr. Die Katze stand auf der Treppe und miaute.

6
    In Helsinki gab Linnea die Adresse von Doktor Jaakko Kivistö in Töölö in der Döbelnstraße an. Sie beauftragte den Chauffeur, über die Caloniusstraße zu fahren, sie wollte nach langer Zeit ihre alte Wohngegend wieders e hen. Sie mußte dem Chauffeur bei der Orientierung helfen, wie sollte sich auch ein Mann aus Siuntio in Töölö zurechtfinden.
    In der Stadt war es heiß, aber es herrschte nicht die Grabesstille wie früher um diese Jahreszeit. Sowie es Sommer geworden war, waren damals die Bewohner von Töölö in Scharen aufs Land gezogen. Lediglich die Bea m ten, deren Dienst es verlangte, waren in der Stadt z u rückgeblieben, und natürlich die Arbeiter, die allerdings weniger in Töölö, als vielmehr in Vierteln wie Hakaniemi und Sörnäinen wohnten.
    Linnea bat den Chauffeur, langsam durch die Calon i usstraße zu fahren, damit sie zu den Fenstern ihrer früheren Wohnung im dritten Stock hinaufschauen konnte. Dort hingen andere Gardinen! Linnea erkannte ihre Fenster sofort, jetzt hingen dort irgendwelche fa d grünen Lappen. Sie selbst hatte an der Straßenfront weiße Stores gehabt, die an den Seiten schön gefältelt waren. Linnea mußte an den letzten Kriegssommer denken. Die großen Kämpfe auf der Karelischen Lan d enge waren bereits abgeflaut, man sprach von Waffe n stillstand. Rainer hatte nach Hause auf Urlaub kommen dürfen. Er hatte dann einige Offiziere des deutschen Waffenbruders zu sich eingeladen, gewissermaßen zum Abschiedsbesuch. Linnea hatte ein Essen vorbereitet. Wegen des herrschenden Mangels hatte sie kaum etwas bekommen, das sie auf den Tisch bringen konnte, und durch die trostlosen Ereignisse an der Ostfront war die Stimmung auch sonst ziemlich gedrückt gewesen. Alk o hol floß deshalb reichlicher als sonst. So hatte dann in der Nacht ein deutscher Hauptmann beschlossen, sich umzubringen. Er hatte in der Küche, die zur Straße lag, unbemerkt das Fenster geöffnet und aus dem dritten Stock hinunterspringen wollen. Die Situation war wir k lich gefährlich, Linnea hatte befürchtet, es würde einen Skandal geben. Deutsche Soldaten starben damals zwar in großer Zahl, millionenfach, aber trotzdem wäre es peinlich gewesen, wenn einer ausgerechnet unter ihrem Fenster sein Ende gefunden hätte.
    Im letzten Moment konnte Linnea den Ärmel des selbstmörderischen deutschen Hauptmanns ergreifen, doch der Mann streifte seine Uniformjacke ab. Linnea griff nach seinen Hosenträgern, die auch tatsächlich hielten, doch da der Mann viel schwerer war als sie selbst, wurde sie von den Hosenträgern aufs Fenste r brett gezogen. Dort blieb sie hängen und rief um Hilfe. Der Hauptmann hing etwas tiefer an der Außenwand des Hauses und umarmte die blecherne Regenrinne. Er hatte seine Absicht mittlerweile bereut und flehte Linnea an, seine Hosenträger festzuhalten.
    Oberst Ravaska und ein paar andere Offiziere liefen auf die Straße, um den Hauptmann in Empfang zu nehmen, der langsam an der Regenrinne hinunte r rutschte. Die Hosenträger waren fast bis auf zwei Meter Länge ausgedehnt. Schließlich sprangen die Knöpfe ab, der Mann rutschte in ziemlichen Tempo nach unten und fiel seinen Offizierskameraden in die Arme.
    Aufgrund dieses an sich unbedeutenden Zwische n falls kursierten dann in der Stadt, und besonders in Militärkreisen, während des ganzen Sommers und sogar noch im Herbst böswillige Anekdoten, die schließlich dazu führten, daß sich der deutsche Hauptmann e r schoß. Vielleicht war auch das Ergebnis des großang e legten Krieges Schuld an dem Selbstmord, denn jener Hauptmann war vom Weltkrieg sehr enttäuscht gew e sen. Er besaß irgendwo in Süddeutschland eine gutg e hende Bäckerei. Insgesamt wirklich eine bedauerliche Kette von Ereignissen, denn vor seinem Selbstmordve r such hatte der Mann die Ravaskas eingeladen, ihn nach dem Krieg zu besuchen. Wegen seines unglücklichen Schicksals fiel die Deutschlandreise ins Wasser.
    Während Linnea an diese Episode zurückdachte, e r reichte das Taxi die Döbelnstraße. Linnea bezahlte und trug ihre Tasche in den Fahrstuhl, mit dem sie zur fünften Etage hinauffuhr. An der Tür hing ein Messin g schild: Jaakko Kivistö, Liz. d. Medizin.
    Jaakko Kivistö freute sich über den Besuch seiner a l ten Freundin. Er war siebzig, bereits seit längerem verwitwet, und wohnte jetzt allein in seiner großen Wohnung, in der sich auch die Praxisräume befanden. Er

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