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Die Giftköchin

Die Giftköchin

Titel: Die Giftköchin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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erzählte, er verzichte seit einiger Zeit auf die Sprec h stundenhilfe. Er habe seit Jahren keine neuen Patienten angenommen, wolle aber die alten noch lebenden bis zu ihrem Tod betreuen.
    Linnea registrierte, daß Jaakko seit ihrer letzten B e gegnung, die ein Jahr zurücklag, wieder gealtert war. Das sagte sie ihm natürlich nicht, denn sie wollte ihren alten Arzt und Liebhaber, den sie immer noch irgendwie mochte, nicht verletzen. Jaakko war groß, bleich, kah l köpfig und sprach mit dünner Stimme.
    Linnea sagte, sie komme zur routinemäßigen Unte r suchung, aber auch, um ihn um Rat und vielleicht ein wenig Hilfe zu bitten, Jaakko Kivistö versprach, ihr in jeder nur erdenklichen Weise zur Verfügung zu stehen. Linnea erzählte, sie wolle vorläufig in Helsinki bleiben – falls es ihm passe –, sie beabsichtigte, ihr Häuschen auf dem Lande zu verkaufen, denn dort sei es in letzter Zeit zu unruhig geworden. Jaak k o Kivistö sagte, da er keine Sprechstundenhilfe mehr habe, klappe es gut mit der Unterbringung, man brauche keine Tratschreden zu befürchten. Linnea habe die freie Wahl unter den Zi m mern.
    Als Linnea Ravaska sich häuslich eingerichtet hatte, führte Jaakko Kivistö die ärztliche Untersuchung durch. Der Allgemeinzustand der alten Dame war einigermaßen zufriedenstellend. Die Zuckerkrankheit hatte sie dank der Tabletten im Griff, ihre Knochen waren ein wenig poröser geworden, für die Aktivierung des Darms schrieb Jaakko ein Medikament auf. Als die Unters u chung beendet war, fragte Linnea ihren Arzt:
    »Sag mir ehrlich, wieviele Jahre ich im besten Falle noch leben könnte!«
    Die Familie der Lindholms war als langlebig bekannt, so daß anzunehmen war, daß auch Linnea diesbezüglich keine Ausnahme machen würde. Ihr Gesundheitsz u stand war in Anbetracht des Alters auf jeden Fall lei d lich. Angesichts dessen gab Jaakko Kivistö die Prognose, daß Linnea mindestens noch zehn Jahre leben würde, aller Wahrscheinlichkeit nach betrüge die ihr verble i bende Lebenszeit jedoch an die zwanzig Jahre. Dies unter der Voraussetzung, daß sie nicht auf ihre alten Tage gesundheitsschädigende Genußmittel konsumieren oder Opfer eines Unfalls würde.
    »Wie schrecklich«, stöhnte die alte Dame. »Und ich hatte geglaubt, ich sterbe in ein, zwei Jahren!«
    Zehn oder sogar zwanzig Jahre bedeuteten, daß sie ihr Leben noch einmal neu einrichten mußte. Auf jeden Fall mußte sie ihren Verfolger Kauko Nyyssönen samt seiner kriminellen Kumpane abschütteln.
    Jaakko Kivistö bat Linnea, ihm von ihren Schwieri g keiten zu erzählen. War der Verursacher jener fragwü r dige Verwandte? Jaakko Kivistö hatte Elsa Nyyssönens Sohn nie gemocht.
    Linnea berichtete von ihren letzten Jahren in Harm i sto. Es war wohltuend, alles einem Außenstehenden erzählen zu können, auch wenn dies ein Mann war. Jaakko Kivistö machte Kaffee und goß Linnea Sherry ein.
    Linnea sprach zwei Stunden lang, schilderte das Drama der letzten Jahre. Als sie endlich fertig war, war sie ein wenig betrunken, aber unsagbar erleichtert. Jaakko Kivistö legte seine Hand auf ihre schmale Schu l ter und sagte, ihr Schicksal sei nahezu unglaublich. Er versprach, sie in jeder Weise zu unterstützen. Es sei auf keinen Fall vernünftig, jetzt nach Harmisto zurückz u kehren. Beim Verkauf ihres Häuschens werde er ihr gern helfen.
    »Ich hätte nie gedacht, daß die alte, willensstarke Li n nea Ravaska sich einmal von einem Grünschnabel derart demütigen läßt. Du hast es doch immer versta n den, mit Männern umzugehen.«
    Kivistö dachte im stillen an die Ehe der Ravaskas und besonders die letzten Jahre während des Krieges. Linnea war die eigentliche Bestimmerin in der Familie gewesen, sie hatte die Wohnung und ihren Mann betreut, hatte ihn angespornt, ja gezwungen, in seiner Laufbahn v o ranzukommen und es bis zum Oberst zu bringen. Und was die paar Jahre betraf, da Kivistö mit ihr ein Ve r hältnis gehabt hatte, so erinnerte er sich außer an g e wisse schöne Dinge auch an ihr forderndes, fast dom i nantes Wesen. Es erschien ihm tatsächlich unglaublich, daß die gute alte Linnea Unterordnung und regelrechte Unterdrückung hatte hinnehmen müssen.
    Sie hatte eine Schlange an ihrem Busen genährt, i n dem sie den früh verwaisten Neffen ihres Mannes gro ß zog. Elsa Nyyssönen war ja zeitlebens seelisch labil gewesen und gestorben, als der Junge noch klein war.
    Linnea sagte, sie furchte um ihr Leben. Man habe sie gezwungen, ein Testament zu

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