Die Giftköchin
auf die Finger. Es sei einfach ungehörig, den teuren Sekt direkt aus der Flasche zu trinken. Ein so edles Getränk genieße man aus Sektgläsern, ob Jari denn nicht einmal die primitivsten Anstandsregeln beher r sche.
Sektgläser waren in Nyyssönens Haushalt natürlich nicht vorhanden, genaugenommen nicht einmal andere Gläser. So mußte man sich eben damit begnügen, drei leere Bierflaschen auszuspülen, die anschließend vo r sichtig mit dem Sekt gefüllt wurden. Die Magnumflasche reichte für je zwei Füllungen. Vor der ersten Runde standen die drei Burschen feierlich auf und schlugen die Bierflaschen gegeneinander.
»Zum Wohl«, wünschten sie sich vornehm.
Als sich der Schaumwein im Magen der Feiernden mit dem flamischen Salat vermischte, wurde das Gift darin aktiviert und drang rauschend in ihre Blutbahn. Ihre Wangen begannen zu glühen, ihr Herz pochte, bald schon hatten sie Lust zum Singen. Ihre Rede wurde stammelnd, es schwindelte sie, und der kleine Kelle r raum erschien ihnen als ein erstickend enges Loch. Mit zitternden Händen gossen sie den letzten Sekt in die Flaschen. Es verlangte die Männer nach frischer Luft, und sie torkelten zur Tür.
Schwankend und stolpernd polterten sie die Treppe hinauf, überquerten den Innenhof fast auf allen vieren und taumelten durch den Torweg auf die Straße. Dort hielten sie sich an Häuserwänden und Verkehrsschi l dern fest, Jari trat eine Fensterscheibe ein, und schrec k lich brüllend und aneinander Halt suchend zogen sie durch die Uudenmaanstraße in Richtung Erottaja. Die entgegenkommenden Passanten machten ihnen entsetzt den Weg frei. Furchtbares Geschrei und Gebrüll erfüllte die Gegend.
Allmählich verebbte der Lärm, die Männer fielen einer nach dem anderen auf die Straße, zuerst Fagerström, dann Lahtela und als letzter Nyyssönen. Jeder der drei hielt eine Bierflasche in der Hand. Die Männer lagen kreuz und quer auf der Uudenmaanstraße, so daß die in Richtung Erottaja fahrenden Autos ausweichen mußten. Bald kurvte ein Polizeiauto heran.
Den Beamten blieb die anstrengende Aufgabe, drei bewußtlose Männer ins Auto zu hieven. Die Bierflaschen sammelten sie auf und warfen sie in den Abfallbehälter, offenbar hatten sich die Männer mit Leichtbier einen Vollrausch angetrunken. Das Leichtbier müßte unb e dingt aus dem freien Verkauf entfernt werden, fanden die Polizisten. Dann knallten sie die Türen ihrer blauen Limousine zu, und der Transport zur Ausnüchterung s station begann.
11
In der öden Zelle der Ausnüchterungsstation von Töölö lagen Nyyssönen & Co. immer noch bewußtlos von der Vergiftung, als man um sechs Uhr morgens kam, um sie zu entlassen. Man rüttelte sie wach und befahl ihnen, sich davonzuscheren zu neuen Abenteuern. Nyyssönen, Lahtela und Fagerström protestierten. Sie äußerten den Wunsch, auf dem Betonfußboden der Zelle vorläufig weiterschlafen zu dürfen. Die Freiheit lockte sie mome n tan nicht. Sie klagten, sie seien krank, man habe sie heimtückisch vergiftet.
Die Polizisten studierten den Rapport vom Vorabend und konstatierten, daß das Trio in Gewahrsam geno m men worden war wegen starken Leichtbierrausches. Jeder der Männer hatte zum Zeitpunkt der Festnahme eine ausgetrunkene Bierflasche in der Hand gehalten. Allerdings mußten sie enorme Mengen von dem Bier getrunken haben, da sie am nächsten Morgen immer noch nicht auf die Beine kamen.
Die Polizisten erklärten, die Ausnüchterungsstation sei kein Erholungsheim.
Nyyssönen jammerte, er und seine Freunde seien O p fer eines Verbrechens geworden. Man habe allen Ernstes versucht, sie mit Gift umzubringen. Hinter allem stecke eine Frau, die Witwe Linnea Ravaska, seine eigene Pfl e geoma, ein richtiger Drachen mit ihren fast achtzig Jahren. Die Beschwerden wurden nicht im Protokoll vermerkt; Nyyssönen und seine Kumpane waren allzu bekannte Gäste in der Ausnüchterungsstation.
Die Polizisten fanden allein den Gedanken absurd, ein altes Mütterchen hätte diese ausgewachsenen Kerle vergiftet, und selbst wenn, umso besser! Irgendwo gab es eine Grenze von Anstand und Gerechtigkeit. Die Herren Säufer sollten also ihre stinkenden Knochen entfernen und der alten Oma ausrichten, sie möge ihnen nächstes Mal eine stärkere Dosis verpassen.
Verstimmt wankten die Burschen aus der Zelle. Ihr Herz hämmerte, die Augen tränten. Der Verkehrslärm dröhnte ihnen in den Ohren. Mit schlotternden Gliedern machten sie sich zu Fuß auf den Weg ins Stadtzentrum. Sie
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