Die Giftköchin
brachte ihm Frühstück und kehrte wieder in die Küche zurück. Sie hatte nun die gute Gelegenheit, sich ein wenig mit ihren Giftflaschen zu beschäftigen, ohne befürchten zu müssen, daß Jaakko überraschend au f tauchte und sich über die seltsamen Geräte wunderte. Die alte Giftköchin stellte die Flaschen auf die Spüle, öffnete sie und füllte die Injektionsspritzen. Das Gift mußte in Meßgläser gegossen werden, es dampfte scheußlich, aber bald war die Arbeit getan. Die alte Frau trug ihr Gebräu wieder in das Versteck in der Frisie r kommode, ließ jedoch versehentlich auf dem Boden eines Meßglases einen Tropfen Gift zurück.
Linnea kam auf die Idee, den malträtierten Jaakko auf die gleiche Weise zu verwöhnen, wie seinerzeit Ra i ner bei seiner Ruhrerkrankung. Jetzt waren keine Su p pen nötig, aber den mißhandelten Mann täte es sicher gut, ein paar Leckerbissen auf dem Nachttisch zu h a ben. Linnea war von diesem Gedanken so begeistert, daß sie sich sogleich zum Einkaufsgang fertigmachte. Sie suchte die Delikatessenabteilung von Stockmann auf, wo sie ihren Einkaufswagen mit allerlei Herrlichke i ten füllte:
Gänseleber, Austernpaste, Muscheln, Taschenkrebse, allerfeinster Schweizer Schimmelkäse, dänische eing e legte Zwiebeln, grüne mit Paprika gefüllte Oliven, Spa r gel, gekochte Meerforelle in Stücken, Mais, Champ i gnons, Mixed Pickles, Kaviar, geräucherte Rentierzunge, gepökeltes Lamm, aromatische exotische Frü chte, all e r feinstes Gebäck, Schokolade, Marmeladenkugeln, San d dorngelee, knusprige französische Kekse, mit Knoblauch gewürztes Baguette.
Die alte Frau, die an die kleine Auswahl im Harm i stoer Dorfladen gewöhnt war, geriet bei all diesen s a genhaften Delikatessen in einen regelrechten Rausch, sie lud immer neue Herrlichkeiten in ihren Wagen, zum Schluß hatte sie jedes Maß verloren.
Nach ihrem ausufernden Kauf erwarb Linnea im A l koholgeschäft noch eine bauchige Magnumflasche roten Sekt. Anschließend arrangierte sie alles schön in einem Bastkorb, den sie mit Silberpapier umhüllte und mit einer goldenen Schleife verzierte. Zufrieden machte sie sich mit ihrem Einkauf auf den Weg in die Döbelnstr a ße. Der Korb hatte enorm viel gekostet, aber darum kümmerte sie sich nicht. Jetzt, da sie beschlossen hatte, Kaukos monatlichen Unterhalt einzustellen, konnte sie ruhig ein wenig verschwenderisch sein. Plötzlich schoß ihr ein noch besserer Gedanke durch den Kopf. Wenn sie nun all die Köstlichkeiten Kauko Nyyssönen sche n ken würde? Sie wußte, daß Kauko ein ungeheures Le c kermaul war, gierig auf Delikatessen, er würde sich krank essen, wenn er ein so fürstliches Präsent bekäme. Linnea stellte sich vor, wie Kauko aß. Sein Gesicht würde einen glücklichen Ausdruck annehmen, er würde anfangen, an gute Dinge zu denken; vielleicht würde sein verstocktes Herz gerührt, und er würde ihr gege n über weich gestimmt, weil sie so lieb an ihn gedacht hatte? Mit diesem teuren Geschenk ließe sich Eintracht zwischen ihr und dem bedrohlichen Trio herstellen – bestimmt würde Kauko auch seine garstigen Kumpane zum Festessen einladen. Linnea schien dies ein ausg e zeichneter Gedanke zu sein.
Als sie an Kaukos Vorlieben beim Essen dachte, eri n nerte sie sich, daß er ihren flamischen Salat stets g e mocht hatte, und sie beschloß, eine Portion davon zuz u bereiten und in den Korb mit einzupacken. Geschäftig und fast weihnachtlich gestimmt zerschnitt sie einen ganzen Salatkopf und fügte vier Eier, einen Eßlöffel Butter, Salz, schwarzen Pfeffer, zwei Eßlöffel Weinessig und aus Unaufmerksamkeit auch den Tropfen selbstg e brautes Gift aus dem Meßglas, das auf der Spüle st e hengeblieben war, hinzu.
Linnea war so in Eifer, daß sie sich nicht einmal die Zeit nahm, den Salat zu kosten, den konnte sie schlie ß lich fast im Schlaf, und er war ihr stets gelungen. Sie füllte den Salat in eine Frischhaltedose und steckte diese in den Korb zu den anderen Lebensmitteln.
Nun brauchte sie Kauko Nyyssönen die Sendung nur noch zuzustellen. Das war allerdings ein Problem. Li n nea erinnerte sich, daß Kauko zumindest noch im Wi n ter irgendeinen muffigen Kellerraum in der Uudenmaa n straße bewohnt hatte. Sie war einmal dort gewesen, als Kauko verlangt hatte, sie solle ihm Geld in die Stadt bringen. Zu ärgerlich, daß im Alter das Gedächtnis nachließ. Der Delikatessenkorb wog mindestens zehn Kilo, sie konnte ihn nicht in der Straßenbahn mi t schleppen. Linnea
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