Die Giftköchin
erfreuen wollen, daran sei doch wohl nichts Schlechtes? Die Beteuerungen wirkten jedoch nicht; Pertti befahl Linnea, sich fertigzumachen und mitzukommen. Man werde in die Eerikstraße gehen, um die Sache zu klären, um etwas anderes handle es sich gar nicht.
Linnea begriff, daß sie sich in der vermutlich größten Gefahr ihres Lebens befand. Sie weigerte sich, auszug e hen, und sagte, der Eigentümer der Wohnung komme jeden Augenblick nach Hause. Es half nichts. Da erklä r te sie, Lahtela mache sich des Menschenraubes schu l dig. Darauf erwiderte er barsch, wenn sie nicht tue, was er verlange, werde er sie schlicht und einfach umlegen. Aus seinen Blicken war zu schließen, daß diese Dr o hung kein Scherz war.
»Du meine Güte, ich muß natürlich ein paar persönl i che Dinge einpacken«, erklärte Linnea eilig. Sie öffnete das Schloß ihrer Frisierkommode und holte verschied e ne Dosen und Fläschchen hervor, wie Frauen sie eben brauchen, wenn sie unterwegs sind. Pertti Lahtela verlor die Geduld. Er sagte, der Ausflug dauere nicht lange, Linnea brauche keine Reisevorbereitungen zu treffen. Schminkzeug und Medikamente benötige sie im Grunde genommen gar nicht. Die ganze Sache sei im Nu erl e digt, wenn man nur bald auf den Weg käme.
Linnea packte dennoch die Gegenstände in ihre T a sche. Sie behauptete, eine Frau, die auf sich halte, könne nicht einfach so mit jedem x-beliebigen Mann mitlaufen, noch dazu ohne ihre persönlichen Habseli g keiten. Außerdem sei sie alt und kränklich, so daß für sie nicht einmal kurze Wege denkbar seien ohne die Mitnahme entsprechender Medikamente. Sie zeigte Pertti Lahtela eine Injektionsspritze, die mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt war, und erklärte, sie brauche zu bestimmten Zeiten eine Spritze, sonst verweigere ihre Bauchspeicheldrüse den Dienst.
Pertti Lahtela dachte bei sich, dies sei ein Ausflug, bei dem am Schluß allerdings wirksamere Mittel eingesetzt würden.
Er fragte, wo das Telefon sei. Linnea führte ihn in den Salon. Pera staunte über die enorme Größe des Raumes und die vornehmen alten Möbel. Er strich über die schweren Plüschvorhänge vor den großen Fenstern und stellte fest, daß der Quacksalber, verflucht nochmal, eine Menge Kies haben müsse.
Lahtela richtete es so ein, daß sich Linnea während seines Anrufes in ihrem Schlafzimmer aufhielt. Die Tür zwischen Salon und Schlafzimmer stand offen, so daß er sie im Auge behalten konnte. Er dachte, die uralte und halbtaube Linnea werde im anderen Zimmer den Inhalt des Gespräches schon nicht mitbekommen.
Er rief Raija Lasanen in ihrer Arbeit an.
»Könn ’ se mal Raikuli an den Apparat holen? … He, P e ra hier, hab ’ s etwas eilig. Ich wollt ’ dir bloß sagen, du sollst nachher nicht in deine Bude in der Eerikstraße kommen und auch nicht anrufen, ich hab da ‘ ne kleine Sache zu erledigen. Kannst du vielleicht woanders übe r nachten? Okay, bis morgen dann, tschau.«
Linnea strengte ihr Gehör aufs äußerste an, verstand aber nur, daß Lahtela von irgendeiner Bude in der E e rikstraße sprach. Das Telefonat war kurz, aber doch lang genug, daß sie inzwischen ihren alten, verschliss e nen Pelzmuff und ein paar andere Kleinigkeiten, wie die vorhin gezeigte Injektionsspritze, zusammenpacken konnte. Sie drehte den Muff in ihren Händen und mußte an die Zeit vor dem Krieg denken. Den Muff pflegte sie mitzunehmen, wenn sie im Winter ausging, es war damals Mode, und außerdem wärmte der Muff ang e nehm die Hände. Als sie sich mit Rainer verlobt hatte, hatte sie mit dem Muff und ihrem neuen Halbpelz in der Stadt großen Eindruck gemacht. Wo mochte der Pelz jetzt wohl sein? Linnea versuchte, sich zu erinnern; verflixt aber auch, wie das Gedächtnis in letzter Zeit nachließ! Vielleicht hatte sie ihren Pelz in den letzten Kriegsjahren, als die Lebensmittel in der Stadt so furchtbar knapp waren, auf dem Schwarzmarkt verka u fen müssen. Tatsächlich, jetzt fiel es ihr ein! Sie hatte den Pelz im Winter 1943, im Februar, gegen ein halbes Schwein eingetauscht. Das Geschäft hatte sich gelohnt, der Pelz war zwar ein Krimmer gewesen, aber die Hälfte eines großen Schweins war zu jener Zeit um ein Vielf a ches wertvoller.
Jetzt wurde der Muff wieder gebraucht. Er war wie eine pelzige Handtasche, in deren Tiefen man die eine oder andere praktische Kleinigkeit transportieren kon n te. Pertti Lahtela wunderte sich allerdings über die Mitnahme des seltsamen Gegenstands. Jetzt sei doch
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