Die Giftköchin
worden. Die Strafe hatte er im Jugendgefängnis von Kerava verbüßt. Von Zeit zu Zeit, auch noch jetzt nach Jahren, mußte er an jenes düstere Ereignis denken. Die Erinnerung war schrecklich, und manchmal raubte sie ihm sogar den Schlaf. Zu den Angehörigen des Getöteten Verbindung aufzunehmen hatte er nicht gewagt.
Jetzt wirkte er wieder an einem Mord mit. Das Opfer war allerdings uralt. Nyyssönen hatte ja sinngemäß gesagt, es sei nicht so schlimm, wenn man einen alten, sterbenden Menschen abmurkste, so etwas sei keine große Sünde. Aber man kannte ja den Nyyssönen, der war ein Meister darin, alle möglichen Ausflüchte zu erfinden. Warum erledigte er die Sache nicht selber? Linnea war seine Tante. Lahtela kam der vage Verdacht, Nyyssönen habe wieder mal einen anderen vorgeschickt.
Besonders abscheulich fand er die Vorstellung, daß es jetzt einer Frau an den Kragen gehen sollte. Eine Frau umzubringen, war immer eine außergewöhnliche Ma ß nahme. Ihn schauderte schon allein bei dem Gedanken. Einen Mann tötete man vielleicht aus der Not heraus oder zur Selbstverteidigung, das passierte sogar ziemlich oft, aber eine Frau anzutasten erschien ihm sehr wide r wärtig.
Pertti Lahtela ging durch die Runebergstraße. Bald hätte er die Döbelnstraße erreicht. Noch wäre Zeit für einen Rückzieher. Wenn er nun zu den Kumpels z u rückkehrte und behauptete, Linnea habe fliehen kö n nen? Frauen können sehr flink sein, wenn sie wollen. Lahtela beschloß, das nahegelegene »Elite« aufzusuchen und über diese Alternative nachzudenken. Er könnte ein paar Bier trinken und die ganze Sache neu überlegen.
Bedauerlicherweise vereitelte der Portier seine A b sicht, sich unter die Gäste des Restaurants zu mischen. Das war auch kein Wunder, denn Pertti Lahtelas Augen brannten in seinem Schädel wie die eines Mörders. Der Portier vermutete, der Mann sei verrückt oder zumindest betrunken. Außerdem erinnerte er sich, daß derselbe Kerl irgendwann auf der Sonnenterrasse des Resta u rants randaliert hatte. Der Typ stank nach Schweiß und Schnaps, so als ob er die letzte Zeit in einer Zelle oder in einem schmutzigen Keller gelegen hätte.
»Leider geht es heute nicht, kommen Sie doch bitte ein andermal wieder.«
Lahtela blieb nichts anderes übrig, als kehrtzum a chen und wieder auf die Straße zu gehen. Seine Galle kochte. So wurde er nun behandelt! Man erlaubte ihm nicht mal, in der Kneipe ein paar Bier zu trinken, ve r flucht nochmal! Dabei hatte er keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen, jedenfalls nicht, seit er aus der Zelle gekommen war.
Der Zwischenfall entschied Linnea Ravaskas Schic k sal. Pertti Lahtela zögerte nicht mehr. Wutentbrannt dachte er, sämtliche Portiers und Witwen sollten ausg e rottet werden. Jetzt erschien es ihm völlig natürlich und gerechtfertigt, in die Döbelnstraße zu marschieren und den Auftrag, den ihm seine Kumpels gegeben hatten, auszuführen.
Pertti Lahtela fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und klingelte an der Tür des Lizentiaten der Medizin, Jaakko Kivistö. Nach einiger Zeit öffnete die alte, verunsicherte Frau. Pertti Lahtela stieß die Tür auf, stürmte in die Wohnung und befahl der Alten, keinen Mucks von sich zu geben. Erst jetzt erkannte Linnea in dem jungen Mann Kauko Nyyssönens Freund und erschrak zu Tode.
12
In scharfem Ton forderte Pertti Lahtela die Witwe Linnea Ravaska auf, ihm zu folgen. Man werde zunächst in eine bestimmte Wohnung in der Eerikstraße gehen, und dort werde man dann sehen, was als nächstes zu tun sei. Linnea war erschüttert. Sie sah an den Augen des Ei n dringlings, daß dieser in finsterer Absicht unterwegs war. Sie begann, um ihr Leben zu fürchten. Die Erinn e rungen an jene furchtbare Tortur in Harmisto wurden wach. Würde sie denn niemals vor Kauko Nyyssönen und dessen gewalttätigen Kumpanen Ruhe haben? Sie wollte um Hilfe rufen, aber Pertti Lahtela drängte sie ins Schlafzimmer und sagte, er werde handgreiflich, wenn sie auch nur einen Mucks von sich gäbe.
Linnea nahm all ihren Mut zusammen und erkundi g te sich nach Kauko Nyyssönens Befinden. War Kauko in letzter Zeit gesund gewesen?
Pertti Lahtela erklärte, eben um diesen Gesundheit s zustand gehe es jetzt. Linnea habe versucht, nicht nur Kauko, sondern auch ihn, Pertti, und den gemeinsamen Freund Jari mit Gift umzubringen. Sie hätten nur mit knapper Not überlebt.
Linnea wies die Anschuldigung zurück und erklärte, sie habe lediglich Kauko mit ein paar Leckerbissen
Weitere Kostenlose Bücher