Die Giftköchin
erschöpft auf den glitschigen Vo r sprung und kroch zwischen die Felsen. Ruhig schlugen die Wellen ans Ufer, es roch nach Tang. Das Patroui l lenboot rauschte an die »Trost III« heran, durch den Lautsprecher verstärkte Kommandos klangen herüber. Nyyssönen lief es kalt über den Rücken, die Beamten veranstalteten bei solchen Anlässen gern großen Lärm. Aber auf seiner steinigen Klippe fanden sie ihn nicht. Nach einiger Zeit fuhr das Patrouillenboot ab, es hatte das havarierte Holzboot in Schlepptau genommen. Ka u ko Nyyssönen seufzte vor Erleichterung, zumindest diesmal war er der Sieger über die Beamten geblieben.
Er fühlte sich richtig erhaben. Er, Kauko Nyyssönen, hatte die Profis im Zweikampf besiegt, obwohl er erst zum zweiten Mal in seinem Leben auf dem Meer war. Wie weit hätte er es wohl gebracht, hätte er sein Leben der Marine gewidmet! In diesem Polizeistaat ging so viel versteckte Begabung verloren, bloß wegen der hof f nungslosen Umstände. Intelligente Personen wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, und nur deshalb, weil sie sich nicht von den Fesseln kleinlicher Gesetze und Regeln knebeln lassen wollten.
Der Triumph war von kurzer Dauer. Völlig durchnäßt und frierend mußte Kauko Nyyssönen auf der kühlen Klippe fast den ganzen nächsten Tag ausharren. Die Ausflügler in den vorbeifahrenden Booten sahen entw e der seine Winkzeichen nicht, oder sie kümmerten sich nicht darum. Manche Bootsbesatzungen verstanden die Zeichen falsch und antworteten fröhlich, indem sie noch heftiger zurückwinkten. Erst am Nachmittag wurde der deprimierte Held der Meere vom Wasserbus »Espoo I« aufgenommen. Das große Boot hatte Schwierigkeiten, ans Ufer der flachen Klippe heranzukommen, und Kake mußte bis an den Hals ins Wasser waten, ehe man ihm an Bord helfen konnte.
Die Rückfahrt war ziemlich verwirrend, Nyyssönen bemerkte, daß er in eine Schar sportlicher, schwedisc h sprachiger Mädchen geraten war. Sie waren Schüleri n nen des obersten Mädchenkurses am Skigymnasium von Jällivaara, hatten einen Klassenausflug in die He i matstadt der nordischen Skikönigin Marjo Matikainen gemacht und waren jetzt als fröhliche Gesellschaft an Kauko Nyyssönens Klippe vorbeigekommen, begleitet von ihrem Idol Marjo Matikainen.
Nyyssönen erzählte der ausgelassenen Mädchenschar von seinen angeblichen Abenteuern: wie er mehrere Kilometer auf dem offenen Meer schwimmen mußte, nachdem sein Boot gesunken und er den Naturgewalten ausgeliefert gewesen sei. Er habe außer seinem Boot auch die Netze und einen beachtlichen, wertvollen Lachsfang eingebüßt.
Der Bootsführer des Wasserbusses schlug vor, über Funk den Küstenschutz oder die Seerettungsgesellschaft von dem Unfall zu verständigen, aber Kauko Nyyssönen erklärte tapfer, das sei nicht nötig. Ein Mann der Meere stecke die Folgen seiner Havarien alleine weg, wegen solcher Kleinigkeiten brauche man nicht die vielbeschä f tigten Behörden zu bemühen. Sie hätten Wichtigeres zu tun, meinte er bescheiden.
Die Schülerinnen des schwedischen Skigymnasiums waren von dem schlichten Finnen sehr beeindruckt und erzählten nach der Heimkehr in Jällivaara ihren Eltern und besonders ihren Freunden, was für ein aufopf e rungsvolles, nervenstarkes und bescheidenes Volk doch in Finnland wohne.
Während der Fahrt wurde Nyyssönen mit warmen Kleidungsstücken der Ausflügler versorgt. Nachdem er den Wasserbus am Kai von Nokkala in Natinkylä, Espoo, verlassen hatte und die nächste Kneipe ansteuerte, bemerkte er zu seiner Freude, daß er eine Sportjacke von Marjo Matikainen trug. Sie war mit den Namen zahlreicher Sponsorfirmen beschriftet. In der lokalen Gaststätte Flachmann war es für Nyyssönen ein leichtes, dieses einmalige Kleidungsstück der Skikönigin für tausend Finnmark zu verkaufen. Somit brachte der Seeausflug doch noch ein gewisses Ergebnis. Die lokale Bierkundschaft zeigte die gebührende Ehrfurcht vor Nyyssönen, der bescheiden erklärte, er sei Marjo Mat i kainens derzeitiger Freund und Trainer, wenn auch ausnahmsweise gerade auf einer kleinen Sauftour. Aber Marjos Trainingsprogramm für die kommende Wet t kampfsaison habe er rechtzeitig und nach absolut strengen Regeln aufgestellt. Ein bißchen Suff werde auf keinen Fall Finnlands Ruf als Skination gefährden.
Für den Besitzer der »Trost III«, Oiva Särjessalo, war die Havarie eine gewaltige Überraschung. Er konnte sich an nichts erinnern. Das war nicht ungewöhnlich nach starkem
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