Die Giftköchin
ihre letzte Reise sei. Die merkwürdig angespannte Miene und die Stimme des Pflegesohns verrieten, daß er etwas im Schilde führte.
»Kauko, bitte, laß uns umkehren, du verirrst dich in diesem Nebel!«
Nyyssönen stoppte den Motor und blickte sich um, der Nebel begann, auch ihn zu beunruhigen. Er holte unter der Ducht zwei Büchsen Bier hervor, öffnete eine davon und gab der anderen einen Tritt, so daß sie Li n nea vor die Füße rollte.
»Danke, Kauko, aber ich trinke nicht. Du solltest es auch nicht tun, auf dem Meer ist Alkohol nicht erlaubt.«
Nyyssönen trank die Büchse aus, rülpste, blickte dann mit Widerwillen auf die alte Frau im Bug des Bootes und sagte mit rauher Stimme:
»Du solltest trinken, solange man dir etwas gibt.«
Linnea spürte plötzlich Kälte, die Ursache mochte das neblige Wetter sein, aber ebenso gut auch die schreckl i che Stimmung auf dem einsamen Meer, wo sie einem feindseligen, jungen Mann hilflos ausgeliefert war.
Unvermittelt bemerkte Kauko Nyyssönen:
»Ich weiß übrigens zufällig, wie Pera starb und was mit Jari passiert ist.«
Linnea erschrak. Was redete Kauko da? Lahtela war ja schon lange tot, und von Jari wußte er nichts, konnte man jetzt nicht einträchtig ans Ufer zurückkehren, man mußte doch nicht im Nebel auf dem Meer eine Ausspr a che führen.
»Dein Kerl, dieser Doktor, ist eines Tages bei mir au f getaucht und hat seine Pistole geschwenkt, ein echter Held, das muß ich schon sagen. Er hat mir erzählt, du hast Pera und Jari getötet, ich hatte es schon vermutet. Du brauchst gar nicht erst herumzulügen. Pera hast du Gift in den Arsch gespritzt, und Jari liegt als Fischfutter auf dem Grund der Ostsee, so hat der alte Knacker mir stolz berichtet. Eine tolle Pflegemutter, die man da hat!«
Linnea spürte Schwindel. War Jaakko Kivistö von a l len guten Geistern verlassen? Warum, in aller Welt, war er hingegangen und hatte Kauko Nyyssönen ihre bre n nenden Probleme verraten, ausgerechnet Kauko? Linnea konnte die männliche Logik nicht begreifen.
»Aber mein lieber Kauko, du wirst doch solche G e schichten nicht glauben. Jaakko ist schon ein alter Mann und denkt sich alles mögliche aus. Du weißt ja, daß ich niemandem etwas Böses antun kann. Laß uns jetzt lieber zurückfahren, dann setzen wir uns meine t wegen in eine Gaststätte und besprechen die Sache zu Ende.«
Nyyssönen streckte die Hand nach der Bierbüchse aus, die zu Linneas Füßen hin- und herrollte, riß sie auf und trank sie gierig aus, wobei sein Adamsapfel auf und ab wanderte. Dann startete er den Motor und fuhr lan g sam nach Süden, Linnea vermutete es zumindest. Der Nebel war so dick, daß man nicht mehr als hundert Meter weit sehen konnte, es war nicht mit Sicherheit zu sagen, in welche Richtung sie fuhren.
Nyyssönen schaltete den Motor aus und lauschte. Durch den Dunst hörte man das Nebelhorn tuten. Das Meer war fast ruhig. Nyyssönen fuhr vorsichtig in die bisherige Richtung weiter, immer wieder horchend, damit er anderen Fahrzeugen ausweichen konnte. Li n nea bemerkte, daß der Nebel inzwischen auch ihm Angst machte, oder hatte er andere Gründe, sich zu fürchten? Würde er etwa versuchen, seine eigene Pflegemutter zu ertränken? Doch wohl nicht? Der Steinsack unten im Boot, Kaukos drohendes, entschlossenes Benehmen … Linnea war sich nunmehr hoffnungslos sicher, daß dieser Ausflug nicht gut enden würde.
Plötzlich begann sie, aus vollem Hals zu schreien wie am Spieß, und das traf ja, zumindest im übertragenen Sinne, auf sie zu, wie sie vermutete. Fern aus dem Nebel ertönte zur Antwort eine Sirene, und bald auch Rufe von Männern, einzelne Wörter waren nicht zu verstehen.
Kauko Nyyssönen sprang in wilder Wut zur mittleren Ducht vor und klatschte Linnea seine Hand ins Gesicht. Aus ihrer Nase floß Blut, sie brach auf dem Boden des Bootes zusammen. Nyyssönen verlor das Gleichgewicht, er schwankte bedenklich, schlug dumpf dröhnend mit dem Knie an die Aluminiumbank und griff haltesuchend nach dem Bootsrand. Die Ruderpinne bohrte sich u n freundlich in seine Seite, das Boot war nahe daran umzukippen, schließlich fiel Nyyssönen mit seinem ganzen Gewicht hintenüber. Ein gewaltiges Krachen war zu hören, Nyyssönen fiel über den Steinsack, dann lag er still.
Das Boot stabilisierte sich. Linnea richtete sich auf, um nach Kauko zu sehen. Er lag keuchend am Boden, das Gesicht vor Schmerz verzerrt, und stieß einen Schwall von Flüchen aus.
»Habe ich es nicht gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher