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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Neigung der Frau, diesen Begehrlichkeiten die eigenen hinzuzufügen und ihrer Vereinigung zu erliegen.
    Trotz. Immer wieder dieser Trotz. Sie tat das Gegenteil dessen, was man von ihr erwartete. Und dabei hatte ich meine Erwartungen doch bereits auf ein Minimum reduziert. Verlangte ich denn so viel, wenn ich sie um ein klein wenig Umsicht bat?
    Und dann erkannte ich im schwach von Fackeln beleuchteten Gang, der zu Grifos Gemach führte, Teodrada. Sie bemerkte mich nicht. An eine Wand gedrückt, lauschte sie auf die Stimmen, die aus Grifos Gemach kamen. Wie erleichtert ich war, als ich feststellte, dass Grifos Tür offen stand. Wenigstens das!
    Der Wortwechsel zwischen Gerlindis und Grifo war leise und zögerlich, so viel konnte ich wahrnehmen. Um den Wortlaut zu verstehen, stand ich zu weit entfernt. Verstand Teodrada mehr? Sie war näher dran. Doch mit welcher Absicht war sie gekommen?
    Unerwartet kam Gerlindis aus Grifos Gemach gerannt. Sowohl Teodrada als auch ich hatten gerade noch die Möglichkeit, uns in einen dunklen Winkel zu verdrücken, sodass Gerlindis uns nicht bemerkte.
    Weinte sie? Zumindest war sie aufgeregt, was ich deutlich
an den für sie untypischen fahrigen Gesten erkannte. Aber es war zu düster, und sie war so schnell vorbeigelaufen, dass ihr wahrer Zustand mir verborgen blieb.
    Am liebsten wäre ich ihr nachgeeilt. Wenn es ihr schlecht ging, brauchte sie mich. Womöglich hatte Grifo ihr einen Korb gegeben. Oder er hatte etwas verlangt, das sie nicht tun wollte. Oder... Eine plötzliche Befürchtung überkam mich. War die Beziehung zwischen Grifo und Gerlindis vielleicht schon weiter gediehen als Gerlindis mich glauben machen wollte? Waren die beiden bereits ein Liebespaar? Hatten sie sich gestritten?
    Wie gesagt, es drängte mich, meiner Nichte nachzulaufen. Aber dann würde ich nicht herausbekommen, weshalb Teodrada sich auf Zehenspitzen Grifos Gemach näherte. Ich musste mich schnell entscheiden - und ich entschied mich für Teodrada.
    Um sie im Auge zu behalten, folgte ich leise. Die Fackeln waren im Abstand von ungefähr zwanzig Schritt im Mauerwerk befestigt, was mir zum Vorteil gereichte. Doch dann unterlief mir ein Missgeschick. Als ich einen Schritt vorwärtsmachte, trat ich versehentlich gegen einen kleinen Stein, der gegen die Wand prallte und ein kleines Stück weiterkullerte. In der absoluten Stille des Gangs genügte dieses Geräusch, um mich zu verraten.
    Augenblicklich fuhr Teodrada herum und forschte in der Düsternis nach der Ursache des Geräuschs. Zu spät sprang ich in einen schützenden Winkel. Sie hatte mich gesehen, nur wusste sie noch nicht, wer ihre Verfolgerin war. Sie griff sich eine Fackel und war mit ein paar Schritten bei mir.
    Â»Du?« Sie sah mich mit großen Augen an.
    In diesem Moment rief Grifo aus seinem Gemach: »Ist da jemand?«

    Ich ergriff Teodradas Hand und zog das Mädchen hinter mir her durch die Gänge in den Hof.
    Es schneite. Dicke Flocken fielen auf Teodradas schwarze Haare. Die Fackel zischte, warf jedoch weiterhin ihren Lichtkreis auf Teodrada und mich und schloss die übrige Welt aus.
    Â»Warum schleichst du hinter Grifo her?«, fragte ich.
    Â»Warum schleichst du mir hinterher?«
    Â»Ich habe zufällig beobachtet, wie du den Saal verlassen hast. Du hast dich dabei täppisch wie eine ungeübte Diebin verhalten.«
    Â»Das muss ich mir nicht anhören.«
    Ich hielt sie fest. »Du bleibst hier. Du bist mir noch eine Antwort schuldig.«
    Â»Warum ich hinter Grifo herschleiche, geht dich nichts an.«
    Â»Wenn meine Nichte davon betroffen ist, geht es mich sehr wohl etwas an. Nun mal heraus mit der Sprache.«
    Â»Wie redest du denn mit mir?«
    Â»Wie mit einem Kind, das bei einer gefährlichen Dummheit erwischt wurde.«
    Â»So eine Unverschämtheit. Ich werde - ich werde mich...«
    Â»Was denn? Bei deinem Vater über mich beschweren? Er wird dir die gleiche Frage wie ich stellen, und vielleicht überlegst du dir, ob du sie nicht lieber mir als ihm beantwortest.«
    Teodrada, unsicher geworden, überlegte, aber für meinen Geschmack überlegte sie zu lange, und so griff ich beherzt in ihr Gewand und durchsuchte es. Ehe die völlig entgeisterte Teodrada etwas dagegen unternehmen konnte, hatte ich gefunden, wonach ich suchte.

    Die dreieckige Klinge des Kurzdolchs schimmerte im Fackellicht. Der Knauf der Waffe lag gut in meiner

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