Die Giftmeisterin
täuschen. Ja, genau, jetzt weià ich es. Ihr versucht, mich in die Irre zu führen.«
Es hätte keinen Sinn gehabt, weiter zu diskutieren. Wenn man Ãngste mit Argumenten heilen könnte, wären sie bereits ausgestorben. Dieses arme Kind fühlte sich von allen und jedem verfolgt, sogar vom Guten auf dieser Welt, von der Freundschaft, der Liebe.
»Wenn du mir versprichst, dein Vorhaben aufzugeben, werde ich niemandem verraten, was du tun wolltest.«
Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. »Du kannst mir nichts beweisen, Verräterin.«
»AuÃerdem verspreche ich, dass ich den Schuldigen finden und dir auf diese Weise Genugtuung verschaffen werde. Was sagst du dazu?«
»Dass ich dir kein Wort glaube.«
»Sieh mal, Teodrada, ich weià etwas über dich, von dem du nicht möchtest, dass es herauskommt, und du weiÃt etwas über Gerlindis, von dem ich nicht möchte, dass es herauskommt. Wir teilen ein Schicksal.«
Sie ging ein paar Schritte durch den frischen Schnee.
»Einverstanden«, sagte sie schlieÃlich.
»Du wirst nichts mehr gegen Grifo unternehmen?«
»So ist es.«
»Und du wirst auch niemanden beauftragen, etwas gegen Grifo zu unternehmen?«
»Jetzt fehlt nur noch, dass du eine Bibel hervorholst, auf die ich schwören muss. Ich sage doch, ich werde Grifo kein Härchen krümmen. Aber dann halte du dich auch an deinen Teil der Abmachung.«
»Gewiss, Teodrada.«
Sie wandte sich abrupt ab und ging in Richtung des Frauenhauses. Ich holte sie mit ein paar schnellen Schritten ein.
»Eine Frage habe ich noch. Du warst vorhin näher an Grifos Gemach als ich. Kannst du mir sagen, wovon Grifo und Gerlindis sprachen?«
»Sie haben zu leise gesprochen, um jedes Wort zu verstehen. Gerlindis war sehr verlegen. Und Grifo genauso. Er hat gestottert wie ein Dorftrottel. Ist es nicht erstaunlich, dass jemand, der sonst den Mund so voll nimmt, beim Anblick einer Frau die Zähne nicht auseinanderkriegt? Grifo ist ein Blender, so wie Hugo es gesagt hat. Hugo war anders. Er war
nie verlegen und hat immer die richtigen Worte gefunden, aber seine Töne waren leise. Er war so, wie ich mir meinen Gemahl vorgestellt habe. Und wer immer ihn mir genommen hat, muss dafür bluten.«
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Ich ging noch einmal kurz in den Bankettsaal zurück. Der Papst, der König und seine Familie sowie die meisten Frauen hatten sich bereits verabschiedet und Maà und Ordnung mit sich genommen. Es war laut, die meisten Männer hatten rote Köpfe, unter ihnen auch Arnulf und Burchard. Gerold hielt sich zurück. Ich hätte jetzt groÃe Lust gehabt, mit ihm zu tanzen, aber ich hatte bei weinseligen Banketten zu später Stunde oft erlebt, dass wegen Kleinigkeiten Streit ausgebrochen war. Ich fürchtete, Burchard könnte mit Sticheleien Arnulfs Eifersucht wecken, und wenngleich ich Emma - die noch anwesend war und sich schon den ganzen Abend prächtig mit Gersvind unterhielt - gegönnt hätte mit anzusehen, wie Arnulf sich meinetwegen schlug, wäre das gegenüber Gerold ein unfeiner Zug gewesen.
Dann warf der morgige Tag seinen Schatten auf meine Gedanken. Ich sagte mir: Das war unser letztes gemeinsames Bankett gewesen.
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Zurück in meinem Haus, steckte ich den Kopf in Gerlindisâ Zimmer; sie schlief tief und fest. Ich ging in mein eigenes Zimmer, entkleidete mich mit gröÃter Langsamkeit und legte mich ins Bett. Ich war nicht müde, aber ich hätte in dieser Stunde nirgendwo anders sein wollen als allein unter meiner Decke, das Heulen des Schneesturms drauÃen und ein bisschen Wehmut im Herzen, weil all dies bald zu Ende gehen sollte: die Nähe zur Königsfamilie, meine Freundschaft mit Berta, die guten und die schlechten Tage
mit Arnulf. So unsicher das war, was kommen würde, so stand eines schon fest: dass mein Leben sich stärker als je zuvor verändern würde.
Ich hatte an jenem Abend keine Angst. Lange noch lag ich wach, begleitet von Erinnerungen, die mich lächeln oder weinen lieÃen, sich vermischten, sich verloren in der Nacht der Zeiten.
Irgendwann fiel ich in einen traumlosen Schlaf.
46
ICH ERWACHTE VON dem Körper, der sich auf mich legte, demselben Körper aus Tausenden von Nächten. Er war mir vertraut. Ich kannte seine Haut, seine Narben, seine weichen und rauen Stellen, Schwächen und Schmerzen. Die Augen über mir glänzten von
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