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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Trunkenheit, aber sie hatten nichts von ihrer Sanftheit eingebüßt, in die ich mich vor siebenundzwanzig Jahren, sechs Monaten und fünf Tagen verliebt hatte. Der Atem roch nach Wein, aber er kam aus dem Mund, den ich unzählige Male geküsst, der mich unzählige Male geküsst, der mir die erquicklichsten Worte gesagt hatte. Immer, wenn unsere Körper sich berührten, spürte ich den Anfang, auch in jener Nacht noch, am Ende.
    Und wieder die siebenundzwanzig Jahre alte Erinnerung: Hochzeitsnacht.
    Â 
    Arnulf öffnet mir die Tür zu einem mit Fackeln und Öllampen erleuchteten Gemach. Er trägt nur einen Schurz, und die dunkle Körperbehaarung, die er schon als Neunzehnjähriger hatte, jagt mir einerseits einen Schrecken ein, andererseits erregt sie mich. Ich, gerade sechzehn Jahre alt geworden, lasse mein Gewand zu Boden gleiten und setze Arnulf mit meinen wohlgeformten Brüsten und meiner schmalen Taille in Erstaunen. Wir gefallen uns vom ersten Augenblick an.

    Â 
    Und eine wenige Tage alte Erinnerung: Liebesnacht.
    Â 
    Er holt mich in sein Gemach, ich sammle Stroh und schichte es auf dem Boden zu einem Bett. Er holt Wein. Wir ziehen uns aus, wir berauschen uns am Wein und unserer Nacktheit. Eingehüllt in eine warme Decke, entfernen wir die Tierhäute vom Fenster, atmen die nasskalte Luft ein, blicken zu den Sternen, die vom nahenden Fest des geborenen Heilands künden, und jeder von uns lässt die Vergangenheit aufleben - nicht mit Worten, keiner spricht. Die Liebkosungen sind unsere Sprache. Die Lippen, die stumm bleiben, die Finger, die Kreise ziehen auf der Haut des anderen, die Kraft seiner Muskeln, der Duft des Öls, mit dem ich mich eingerieben habe, die gegenseitige Zurschaustellung unserer Reize...
    Aber dann zeigte sich ein anderer Mann als der, der mir vertraut war. Dieser Mann war heftiger und schneller, er stieß Wörter aus, die ich nicht verstand, dann rief er: »Sag es«, er rief: »Tu es«, er wirbelte mich herum, sodass ich auf ihm lag, er wölbte seinen Körper mir entgegen, er schrie, und als ich nicht tat, was er verlangte, weil ich nicht wusste, was er verlangte, schlug er mich. Der Schlag war nicht schmerzhaft, er sollte mich nur ermahnen. Doch ich versagte. Ich, die ich nicht diejenige war, die ihm gezeigt hatte, wovon er nicht genug kriegen konnte, musste zwangsläufig versagen. Seine Augen, seine Worte, seine Küsse, seine Hände - das war nicht mehr er.
    Ich schlief mit Emmas Geschöpf. Ich schlief mit einem Fremden.

    Â 
    Erst in den frühen Morgenstunden kam er wieder zu sich. Er lag neben mir und starrte in die Dunkelheit.
    Â»Danke für das, was du getan hast«, sagte er.
    Schweigen.
    Â»Was habe ich denn getan?«
    Â»Du hast Emma akzeptiert.«
    Schweigen.
    Â»O ja, Emma habe ich akzeptiert.«
    Â»Das war sicherlich nicht leicht.«
    Schweigen.
    Â»Nein, es war nicht leicht. In Wahrheit war das, was ich getan habe, das Schwerste, was ich je tun musste.«
    Er umarmte mich. Ich lag in den Armen des Todes. Ich hatte mit einer Leiche geschlafen.
    Â»Du bist eine wunderbare Frau.«
    Â»Ich bin eine Frau«, sagte ich.
    Die Wut, die ich empfand, entstammte meiner Liebe, und nur deswegen war sie mächtig genug, meine Liebe zu töten.

47
    AM NÄCHSTEN MORGEN fühlte Arnulf sich nicht wohl. Er hatte schon oft zu viel getrunken und kannte die Folgen, aber an jenem Morgen ging es ihm besonders schlecht.
    Die Wirkung setzt allmählich ein. Wird das Elixier abends getrunken, fühlt man sich am nächsten Morgen leicht geschwächt. Man spürt etwas nahen und denkt an eine Erkältung.
    Von dem Moment an benahm ich mich wie ein fürsorgliches Eheweib. Ich bat Gerlindis, der Küchenmagd aufzutragen, einen Sud aus Brombeerblättern und Spitzwegerich zuzubereiten, und half Arnulf beim Ankleiden. Einerseits täuschte ich alle, andererseits, so merkwürdig es klingt, war ich aufrichtig bemüht zu helfen. Ich war ständig zu zweit in mir.
    Â 
    Den weiteren Vormittag - als Arnulf aus dem Haus war - verbrachte ich in größter Ruhelosigkeit. Ich erwartete ein Ereignis, das in den nächsten Tagen mit Sicherheit eintreten würde und das ich selbst verursacht hatte, über dessen Folgen ich mir jedoch nicht völlig im Klaren war. Obwohl spontan, hatte ich nicht unüberlegt gehandelt - allerdings hatten sich meine Überlegungen zum einen auf meine Gründe

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