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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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die Frau, die ihr das Kind weggemacht hatte, weigerte sich, mir... Ach, das ist ja alles gleichgültig. Ich...« Er fing an zu schluchzen.
    Ich stellte mich mit dem Rücken zur Wand und brachte Eugenius unauffällig in eine Position, dass er den Leuten den Rücken zuwandte. Auf diese Weise sah nur ich seine Tränen. Ich ließ ihn weinen, blickte den Mann, der mir schon vor Jahren ein Freund geworden war, mitfühlend an und wartete, bis er von sich aus das Gespräch wieder aufnahm.
    Als es so weit war, sagte er: »Ich habe ihr keine Vorwürfe gemacht, wegen des Kindes, meine ich. Sie konnte es nicht behalten, Ermengard.«
    Ich nickte.
    Â»Der König hatte sie vor vielen Monaten das letzte Mal besucht«, fuhr er fort. »Er wäre schnell dahintergekommen, dass sie einen Liebhaber hatte. Wenn sie verraten hätte, dass das Kind von mir ist, hätte der König mich aus seinem Reich verbannt und Mathilda wäre in ein Kloster gekommen. Wir hätten uns nie wiedergesehen. Und wenn sie es nicht verraten hätte, wäre statt meiner Hugo bestraft worden, der einige Monate zuvor im Frauenhaus entdeckt worden war. Die beiden waren tatsächlich nur befreundet.
Aber wer hätte ihnen das geglaubt? Und natürlich wäre Mathilda auch in diesem Fall ins Kloster verbannt worden. Unsere Lage war aussichtslos. Nur um es mir leichter zu machen, hat sie mir nichts von dem Kind erzählt. So waren wir. Einer versuchte, den anderen zu beschützen. Wir haben nie gestritten. Sie hat mir und ich habe ihr stets alles verziehen. Noch am Abend, als sie starb, waren wir zusammen. Wir haben uns in der Kapelle getroffen, haben gelacht und - und am nächsten Morgen hörte ich, dass sie tot sei. Ich konnte es nicht glauben. Aber es wurde bestätigt. Da schloss ich mich in mein Haus ein und...« Er rieb sich die Augen.
    Ich hielt es für überflüssig, ihm zu gestehen, dass ich ihn mit Mathilda in der Kapelle gehört hatte. Im besten Fall wäre er peinlich berührt, im schlimmsten Fall verärgert gewesen, dass ich Zeugin seiner letzten Stunde mit Mathilda geworden war. Dass er mir von sich aus von seinem Treffen mit Mathilda am Abend ihres Todes erzählte, bewies mir, dass er den Mord nicht begangen hatte. Was wäre das für ein Mörder, der so kaltblütig war, sich selbst zu belasten. Doch Eugenius war kein solcher Mann, sonst hätte er nicht eine halbe Stunde damit zugebracht, hinter dem Heiligen Vater zu stehen, ohne den tödlichen Stoß auszuführen. Ein kaltblütiger Mörder hätte die Tat entweder sofort ausgeführt oder gar nicht erst in Erwägung gezogen.
    Â»Nun gebt mir bitte den Dolch«, sagte ich. »Sonst begeht Ihr doch noch eine Dummheit.«
    Â»Ich habe nichts mehr zu verlieren. Soll er doch sterben, dieser Plebejer, der die Würde Roms an den fränkischen König verkauft.«
    Â»Wie sieht das wohl aus, wenn Ihr kurz nach einem Gespräch mit mir den Papst ermordet? Habe ich das verdient?«
    Â»Dann geht weg. Ich warte noch eine Weile, bis ich es tue. Oder alarmiert meinetwegen die Wachen. Mir ist alles gleichgültig.«
    Â»Das war es doch vorhin schon, und trotzdem habt Ihr gezögert. Nein, Eugenius, Ihr seid kein Mörder.«
    Â»Um das einschätzen zu können, müsstet Ihr selbst einer sein.«
    Wie unheimlich, dass Menschen bisweilen auf eine Wahrheit stoßen, ohne sie zu erkennen. Ich war eine Mörderin, ich würde unwiderruflich eine Mörderin sein, morgen, übermorgen, in drei oder vier Tagen... Es gab kein Zurück mehr. Ich verstand es erst in diesem Moment. Ich hatte meinen Mann umgebracht, der dort vorn neben Gerold an der Tafel saß und trank, redete, nickte und nichts ahnte von dem Tod, der in ihm zirkulierte.
    Â»Ihr habt durchaus noch etwas zu verlieren, Eugenius«, sagte ich leise.
    Â»Und was?«
    Â»Den Himmel, Eugenius, den Himmel. Menschliche Schwächen werden uns verziehen, aber Verbrechen, vor allem Mord, niemals. Die Hölle wäre Euch sicher, ewige Verdarmnnis, unerträgliche Qualen...«
    Â»Ihr weint, Ermengard?«
    Â»Unsinn.«
    Â»Ich sehe es deutlich. So nahe geht Euch mein Schicksal? Ihr seid eine außergewöhnliche Frau.«
    Ich wollte unbedingt von der Erschütterung, die mich plötzlich erfasste, ablenken, und fing an zu reden.
    Â»Wenn Ihr schon Argumenten des Gefühls nicht zugänglich seid, Eugenius, dann vielleicht

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