Die Giftmeisterin
Was, wenn der König ihn nicht in seine Dienste nimmt? Er ist der zweite Sohn seines Vaters, also ist er nichts und hat nur wenig. Doch das alles ist mir nicht wichtig. Ich weiÃ, ich will mit ihm gehen dort hinaus ins Weite, Ungewisse.
Arnulf erklärt sich meinem Vater, und der wittert ein gutes Geschäft. Eine Esserin weniger im Haus, und bei der Aussteuer kommt er gut weg. Sie einigen sich auf die Morgengabe: Arnulf bekommt ein blitzendes Pferdegeschirr sowie einen nagelneuen Sattel aus bestem Leder. (In späteren Jahren werden wir uns oft darüber lustig machen. Wenn er mich necken will, wird Arnulf
sagen, dass er für das hervorragende Pferdegeschirr, das er erhalten habe, auch ein von Pocken entstelltes, kahlköpfiges Mannweib geheiratet hätte. Dann lachen wir.)
Der Tag, an dem ich mein Elternhaus mit Arnulf als meinem Gemahl verlasse, ist der glücklichste meines Lebens. Ich bin mir sicher, dass wenn wir zusammenhalten, uns nichts geschehen kann.
Die Totenwache war kurz und fand in der Kapelle statt, zwei Kerzen in einem dunklen, kalten Raum. Emma weinte leise vor sich hin. Vergoss sie ihre Tränen um ihn oder um ihre Zukunft? Rechtlich gesehen ist Emma nun fast nichts. Auch wenn sie in Kürze einen Sohn gebären sollte, so besteht keine Möglichkeit, ihn als legitimen Erben einzusetzen. Dennoch, es mag sein, dass sie zwar nicht nur, aber auch deshalb weinte, weil sie Arnulf geliebt hat. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es umgekehrt gewesen wäre - wenn Arnulf vor siebenundzwanzig Jahren bereits verheiratet gewesen wäre und mir angeboten hätte, eine Kebsehe mit ihm einzugehen. Hätte ich mich darauf eingelassen? Und wenn ja, wäre mir seine Gemahlin nicht irgendwann ein Dorn im Auge gewesen, so wie ich dies für Emma wurde? Gut denkbar. Aber ich wäre an seiner Seite geblieben, wenn er erkrankt wäre, auch dann, wenn er etwas Ansteckendes gehabt hätte, auch dann, wenn ich Kinder gehabt hätte und schwanger gewesen wäre. Das klingt merkwürdig, nicht wahr? Ich hätte mein Leben für ihn geopfert, aber ich habe sein Leben für meine Vergeltung genommen.
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Die Grablege fand noch am selben Tag statt, am Mittag von Heiligabend, also vor ungefähr zwanzig Stunden. Es waren alle da, der König, der Heilige Vater, Eugenius, Gerold,
die höchsten Würdenträger. Das Grab, in das man Arnulf versenkte, ist nicht seine endgültige Ruhestätte, da der König angekündigt hat, seinen treuen Gefolgsmann und Pfalzgrafen dereinst in der im Bau befindlichen Basilika zur ewigen Ruhe zu betten.
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In Sichtweite des Kirchhofs, auf dem ich vor Arnulfs Grab stand, führt eine StraÃe aus Aachen heraus. Dort fuhr Fionees Wagen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie zu mir hersah, aber ich bilde es mir ein. Die Frau, die für eine kurze Zeit mein zweites Ich gewesen war, entfernte sich von mir.
56
WENIG SPÃTER KAM Gerold in mein Haus. Er machte ein ernstes Gesicht, aber was für ein Gesicht hätte er nach der Grablege meines Gemahls auch sonst machen sollen. Ich dachte mir nichts dabei.
»Gerold. Wie freundlich von Euch vorbeizukommen! Gerlindis, bitte schicke die Magd nach einem Becher Wein.«
»Nein, danke«, sagte er knapp und scharf. »Dies ist kein Beileidsbesuch, Gräfin.«
»Dann kommt Ihr gewiss meinetwegen«, platzte es aus Gerlindis heraus. »Hat Grifo... hat er... so sprecht doch«, stammelte sie.
»Gerlindis, bitte gib Gerold die Gelegenheit zu sprechen, dann wird er es auch tun«, mahnte ich sie, allerdings in mildem Tonfall und mit nachsichtigem Blick.
Gerold räusperte sich. »Grifo hat sich mir tatsächlich offenbart. Deswegen bin ich jedoch nicht gekommen. Würdet Ihr Eure Tante und mich bitte allein lassen. Wenn Ihr so freundlich wärt, das Haus zu verlassen. Und sollten sich noch andere Leute im Haus aufhalten, bitte ich Euch, sie fortzuschicken. Falls Ihr Grifo besuchen möchtet, habe ich keine Einwände. Er befindet sich im Dienstraum der Wache, und ich glaube, er freut sich auÃerordentlich auf Euch.«
Ich nickte Gerlindis zum Zeichen meines Einverständnisses zu. Es dauerte eine Weile, bis sie den Mägden Bescheid gesagt und sich winterfest angekleidet hatte, und in dieser
Zeitspanne wurde meine Aufregung immer gröÃer. Warum schickte Gerold die Dienstboten weg? Genügte es nicht, die Wohnhalle für uns zu haben? Es musste sich um eine
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