Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
ich ganz offen: Ich bin keine Vollstreckerin der Gerechtigkeit. Nein, ich bin nicht gerecht. Ich ahne fast nie, was das Gift, das ich gebe, anrichtet. So bin ich also eine Händlerin des Tötens, nichts weiter, und ich richte so viel Unheil an wie ich Heil bringe. Eugenius hat mich angelogen, als er behauptete, das Gift gegen jemanden einzusetzen, der ihm ans Leben wolle, daher verweigerte ich es ihm. Du hast die Wahrheit gesagt, Ermengard, denn du hattest wirklich Angst um die Liebe, die zerstört zu werden
drohte, daher gab ich es dir, wissend, dass du es gegen Arnulf verwenden würdest. Ich weiß nicht, was in dir vorging, als du es ihm verabreichtest, und ich weiß nicht, was in diesem Moment in dir vorgeht. Aber ich weiß, dass du eine Frau bist, die guten Grund hat für das, was sie tut. Vielleicht ist der Grund dir entfallen, vielleicht hat er sich angesichts der Tragödie verborgen, vielleicht willst du ihn nicht kennen, nicht wahrhaben...
    Was dir in den letzten Stunden begegnete, waren nicht die dämonischen Gesandten des Teufels, sondern die Gesandten deines Schmerzes und deines Gewissens. Aber der Grund deiner Tat wird zurückkehren, sei es noch heute, sei es morgen, sei es im nächsten Jahr. Du wirst wissen, Ermengard, warum du es getan hast. Und mit der Erkenntnis, die kommt, und mit jedem Tag, der dich mehr von Arnulf trennt, verblassen die Dämonen. Du wirst eines Tages eine glückliche Frau sein. Ich spüre es. Ich spüre ein großes Lächeln in mir, das die Vorwegnahme deines Lächelns ist. Aber bis dahin steht dir noch eine schwierige Zeit bevor.
    Ich kann dir nicht alles begreiflich machen, und einiges wird dir für immer unverständlich bleiben.
    Ich habe dir viel Mohnsaft verabreicht, damit du ruhiger wirst, und ich gebe dir noch eine Phiole voll mit nach Hause, obwohl ich glaube, dass du das Schlimmste überstanden hast. Sage niemandem etwas darüber. Mohnsaft gilt als Satanswerk, was selbstverständlich Unfug ist. Ein Mundvoll davon genügt. In der Phiole sind drei Portionen. Teile sie dir gut ein, denn danach wirst du von mir keinen Mohnsaft mehr bekommen.
    Wir werden uns nicht wiedersehen, Ermengard. Je nachdem, wie die Wege befahrbar sind, ziehen Chrestme und
ich weiter, wie wir es vorsichtshalber immer tun, wenn wir Gift herausgegeben haben. Komm nicht noch einmal zu mir, Ermengard. Wir würden uns den Abschied nur noch ärger machen. Ich wünsche dir das Beste, und ich werde dich nie vergessen.«

54
    DAS GRAUEN WAR vorüber, besiegt von dem Mohnsaft, besiegt aber auch von Fionees Worten. Sie hatte schon Dutzende Menschen getötet - zwar nicht mit eigenen Händen, dennoch wissentlich - und war vom Schöpfer trotzdem mit ungewöhnlichen Gaben ausgestattet worden. Mein ganzes Leben habe ich wie die meisten Menschen so gelebt, als seien die Jahre auf Erden lediglich die Bewährung für die Ewigkeit. Diese Gewissheit ist mir verloren gegangen. Fionee hat recht: Ich habe nicht alles verstanden, was sie sagte. Von den übrigen Dingen auf dieser Welt verstehe ich auch nicht alles. Aber ich bin mittlerweile überzeugt davon, dass ich gut daran tue, mich gegen das zu wehren, von dem ich glaube, dass es falsch ist.
    Â 
    Bei Schneefall und dunkelgrauem Morgenlicht kehrte ich in die Pfalz zurück. Berta wachte am Bett meines Mannes. Sie machte, was sie am besten konnte: ein besorgtes Gesicht. Diesmal aus gutem Grund.
    Â»Er hat die halbe Nacht im Schlaf gesprochen, nur wirres Zeug, und ein paarmal hat er um sich geschlagen«, sagte sie leise.
    Â»Danke, Berta. Danke, dass du bei ihm warst. Ist Gerlindis im Bett?«
    Â»ja.«
    Â»Leg du dich bei dir zu Hause nun auch ins Bett, Berta.«

    Â»Ich könnte nicht schlafen. Darf ich bei dir bleiben?«
    Â»Aber ja.«
    Wir wachten, ohne zu sprechen, viele Stunden lang. Der Arzt kam und stellte fest, was ich bereits wusste.
    Die Krankheit erfasst das Herz. Kräftige Menschen überstehen die Nacht und den folgenden Tag, manchmal auch die auf den Tag folgende Nacht.
    Später am Tag kam der König. Er wartete, bis Arnulf einen seiner wenigen wachen Momente hatte, um ihm gut zuzureden und ihm für seine langjährige treue Gefolgschaft zu danken. Nicht viele von Karls Gefährten sind in den »Genuss« eines solchen Abschieds gekommen, weil die meisten von Schwertern durchbohrt, von Pfeilen durchlöchert oder von Hufen zertrampelt worden sind.

Weitere Kostenlose Bücher