Die Giftmeisterin
äuÏerst heikle Angelegenheit handeln. Selbstverständlich hatte ich eine gewisse Befürchtung, und deshalb reagierte ich mit groÃer Gereiztheit.
»Was soll das?«, fragte ich Gerold, als Gerlindis und die Dienstboten das Haus verlassen hatten. »Ihr schickt meine Nichte und meine Mägde fort, ohne mich zu fragen. Bin ich nicht mehr Herrin meines Hauses, nur weil mein Gemahl tot ist? Ich finde Euer Betragen unanständig, zumal wir nun ganz allein im Haus sind, was sich nicht geziemt, wie Ihr sicherlich wisst.«
»Ich habe in Eurem Sinne gehandelt.«
»Das werden wir noch sehen.«
»Gut, gleich vorab zwei Dinge. Der König hat eine Untersuchung angeordnet. Und Ihr steht auf königlichen Befehl bis auf Weiteres unter Hausarrest.«
Gerolds Eröffnung machte mich zunächst sprachlos. Ich schwieg eine Weile wie eine Ertappte.
»Was - was wird mir zur Last gelegt?«
»Dem König nehmen die rätselhaften Todesfälle und Erkrankungen in letzter Zeit überhand. Euer Gemahl hat, bevor ihn die Krankheit niederwarf, dem König Bericht erstattet, dass er Mathilda für die Mörderin Hugos hielt und dass sie sich wenig später selbst gerichtet hat.«
»Nun ja, das hört sich doch recht plausibel an, findet Ihr nicht?«
»Darüber lässt sich streiten.«
»Ihr solltet froh darüber sein, dass Euer Sohn entlastet wurde.«
»Das bin ich auch. Doch dann geschahen weitere mysteriöse
Dinge. Prinzessin Teodrada und Euer Gemahl erkrankten in derselben Nacht.«
»Daran kann ich beim besten Willen nichts Mysteriöses erkennen. Im Winter erkranken viele Menschen.«
»Prinzessin Teodradas Erkrankung hatte jedoch nichts mit der Jahreszeit zu tun. Sie wurde vergiftet.«
»Ver...« Ich bekam weiche Knie und musste mich setzen.
»Ja, Ihr habt richtig gehört. Vergiftet. Der Arzt konnte das anhand ihres Auswurfs feststellen, denn sie hatte starke Magenkrämpfe. Da Euer Gemahl in der Nacht, als es geschah, in der Nacht nach dem Bankett also, stark angetrunken war und kurz darauf selbst erkrankte, hat der König nicht ihn, sondern mich beauftragt, die Untersuchung zu führen.« Er setzte sich neben mich. »Und das habe ich getan.«
Wir sahen uns an.
Schweigen.
»Habt Ihr die Untersuchung bereits abgeschlossen?«, fragte ich schlieÃlich, alle Kraft zusammennehmend.
»Sagen wir, ich stehe kurz davor.«
Schweigen.
Ich war auf alles gefasst. »Welches Ergebnis zeichnet sich ab?«
»Es zeichnen sich mehrere Ergebnisse ab. Das eine betrifft Teodradas Vergiftung, das andere den Tod Arnulfs.« Er seufzte. »Die Prinzessin wurde vermutlich von Gersvind vergiftet. Teodrada konnte mir sagen, dass sie nach dem Bankett von Gersvind einen Becher Wein erhalten hatte und dass dieser Wein nicht gut schmeckte. Daraufhin brachte ich Gersvind und ihre kleine Tochter in ein nahe gelegenes Kloster, wo sie vorläufig unter Arrest steht. So viel dazu. Und nun zu Euch.« Er machte eine Pause und sagte dann: »Ich glaube, dass Arnulf von Euch vergiftet wurde.«
Vor die Wahl gestellt, die unter der Wucht der falschen Beschuldigung schluchzende oder die sich mit demonstrativer Empörung erhebende Witwe zu geben, entschied ich mich für Letzteres. Ich stand empört auf. »Wie könnt Ihr es wagen!«
»Es tut mir leid, Ermengard, aber so ist es. Ich glaube es tatsächlich.«
»Was Ihr glaubt, ist unwichtig. Arnulf starb an einer Entzündung der Lunge, wie Euch der Arzt bestätigen wird.«
»Er bestätigte mir, dass alles darauf hindeute. Aber er kann nicht ausschlieÃen...«
»Nicht ausschlieÃen! Sieht so die Rechtsprechung in diesem Reich aus?«
Meine Gedanken waren in alle Winde verstreut, und es war mir unmöglich, sie zu sammeln. Nachdem ich tagelang die Höllenangst einer Mörderin durchlebt hatte, wurde ich nun von der Angst vor dem Kainsmal gepackt. Ich wollte nicht öffentlich gedemütigt werden und sterben. Ich wollte leben. Ich wusste, dass ich das konnte: leben. Gut leben. Die Dämonen waren fort, ein für alle Mal, und ich hoffte, noch zehn oder zwanzig gute Jahre zu haben, ja, Tausende von Tagen ohne die Last einer Nebenbuhlerin mit mir herumzuschleppen, ohne ständig für jemanden da zu sein, ohne mich hinzugeben, wenn mir nicht danach war, ohne Opfer. Es hatte ein Leben vor Arnulf gegeben, und es würde ein Leben nach Arnulf
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