Die Giftmeisterin
verspottet worden. Bedenkt - weder Euer Gemahl noch der König noch Grifo oder sonstwer, der am Hof ein Schwert trägt, kann lesen und schreiben. Eine der wenigen Ausnahmen ist Gerold, aber der trägt bekanntlich fast nie ein Schwert und ist als Seneschall nicht den Kriegern zuzurechnen.««
Das traf zu. Nur mir hatte Eugenius es beiläufig erzählt
und mich sofort gebeten, Stillschweigen zu bewahren. »Wieso wollte Hugo es lernen?«, fragte ich.
Eugenius lächelte. »Ich nehme an, er wollte jemanden beeindrucken, der viel vom Lesen und Schreiben hält. Das war auch der Grund, weshalb ich die Unterweisungen vor vier Monaten einstellte.«
Vor vier Monaten. Ich dachte nach. »Das war zu der Zeit, als Hugo das Frauenhaus der Pfalz unerlaubt betrat.««
»Ihr seid gut informiert, Gräfin.««
»Erst seit heute.«
»Ich durfte keinesfalls riskieren, dass mein Name in Verbindung mit einem sittlichen Ãrgernis gebracht würde, und dazu wäre es vielleicht eines Tages gekommen. Ich wusste ja nicht, was Hugo im Frauenhaus machte und mit wem er das machte, wovon ich nicht weiÃ, was es war. Also sagte ich ihm, dass ich ihn nicht länger empfangen würde.««
»Wie hat er reagiert?«
»Mir gegenüber hat er es mit Fassung aufgenommen. Er sagte, er käme von nun an allein zurecht.«
»In letzter Zeit war er mehrfach betrunken gewesen.««
»Das hängt wohl kaum mit dem Abbruch der Unterweisungen zusammen. Er wäre der erste Schüler, der an so etwas verzweifelte.««
Wir lachten, und dann lächelten wir einander an. Das Gespräch hatte uns Freude gemacht, aber wir verstanden, dass es nun enden musste.
»Ihr entschuldigt, Gräfin. Ich will den König nicht warten lassen. Was auch immer Ihr hier tut - ich wünsche Euch viel Erfolg. Auf bald. Gott zum GruÃ, Gräfin.«
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Als Eugenius gegangen war, lieà ich mir unser Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen, und auch das, worüber
wir nicht geredet hatten. Ihn auf seinen Besuch in Fionees Haus anzusprechen, hatte ich, trotz unseres guten Verhältnisses, nicht gewagt. Er sollte nicht denken, dass ich ihn bespitzle.
Eher beiläufig scharrte ich mit dem linken Fuà in Schlamm und Schneeresten und stieà auf einen Gegenstand. Ich hob ihn auf. Es handelte sich um eine seltsam geformte Pfeilspitze.
11
DAS FRAUENHAUS WAR die einzige Fährte, die ich hatte, denn dort schienen Hugos Probleme ihre Ursache zu haben. Doch so genau wusste ich auch nicht, wonach ich suchen, wen ich fragen und vor allem wie ich fragen sollte. Es ist gar nicht so einfach, eine Untersuchung durchzuführen, wenn keiner wissen darf, was man tut.
Ich konnte mich im Frauenhaus nur an eine einzige Person wenden, und auch an sie nur mit Bedacht. Die älteren Töchter des Königs waren nur wenig jünger als ich, und ich pflegte einen höflichen, ungetrübten Umgang mit diesen armen Geschöpfen, die von ihrem Vater so sehr geliebt wurden, dass er sich weigerte, sie zu verheiraten. Doch ich war nicht ihre Freundin, und es wäre gewiss aufgefallen, wenn ich plötzlich ein Gespräch über ein vertrauliches Thema mit ihnen geführt hätte. Zu den beiden Konkubinen des Königs, der Römerin Mathilda und der Sächsin Gersvind, stand ich in keinerlei Verbindung. Wir kannten uns vom Sehen, wir grüÃten uns - mehr nicht. So blieb nur Teodrada.
Als ich das Frauenhaus betrat, hörte ich von ferne Gelächter und lautes Geplapper. Die Damen vergnügten sich offenbar im warmen Bad. Es war vor einigen Tagen fertig geworden und war jetzt, im Winter, ein beliebter Mittelpunkt des Hauses, wo man sich traf, schwatzte und die Kälte vergaÃ.
Zielsicher ging ich in die andere Richtung. Denn wo Geselligkeit stattfand, war Teodrada gewiss nicht zu finden. Ich klopfte an ihre Tür.
»Was ist denn?«, ertönte eine Stimme jenseits aller Lieblichkeit. Ja, das war Teodrada, ein Kind von fünfzehn Jahren, ausgestattet mit allen Launen auf Gottes Erde.
»Ach, du bist es«, begrüÃte sie mich. »Lässt du dich auch mal wieder sehen. Wann hast du dich das letzte Mal zu mir bemüht? Vor einem Monat?«
»Es ist fünf Tage her«, sagte ich und küsste sie auf die Stirn.
Sie freute sich über meinen Besuch, auch wenn nichts darauf hindeutete, und ich wiederum freute mich, Teodrada zu sehen, auch wenn es dafür keinen
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