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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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auf einmal zusammen, und der Fund des Leichnams, eine heulende Nichte und meine entfesselte Neugier bezwangen sogar einen barfüßigen Papst. Ich dachte an diesem Nachmittag im Gemach der Königin an fast nichts anderes als an Hugos Tod und Grifos Schuld und war der redseligen Liutgarde eine schlechte Gesellschafterin.
    Â 
    Der Abend desselben und der Morgen des nächsten Tages verliefen wie üblich, oder besser gesagt anscheinend wie üblich. Ich nahm die Mahlzeiten mit Arnulf ein, wobei ich vermied, über Grifo zu sprechen, und Arnulf es vermied, über sein Zerwürfnis mit Gerlindis zu sprechen. Ich spürte, dass er gekränkt war, sich jedoch bemühte, die Kränkung vor mir zu verbergen. Gerlindis bekam die Speise auf ihr Zimmer gebracht, da sie noch immer verzweifelt war und Arnulf womöglich mit Fragen bedrängt hätte. Ich brachte auf diese Weise etwas Ruhe in die aufgewühlten Gefühle und machte mich um den Haussegen verdient.

10
    ICH GING AN diesem Vormittag nicht ins Dorf. Liutgardes Hinweis auf das Frauenhaus war zu verführerisch, um ihn auch nur einen Tag länger unbeachtet zu lassen.
    Tauwetter hatte eingesetzt. Von allen Gemäuern tropfte das Schneewasser und erfüllte die Pfalz mit einem geräuschvollen Plätschern, das ich nicht mochte, weil ich Nässe immer schon schlechter vertragen habe als Kälte. Die halb fertigen Gebäude, die wegen der Schmelze nun aus Schlamm und Dreck aufragten, wirkten an diesem tristen Tag wie ein gestrandetes, verfaulendes Schiffswrack und schienen mir eher von Untergang als von kommender Herrlichkeit zu künden.
    Auf dem Weg zum Frauenhaus, das sich nur etwa zweihundert Schritte von meinem Haus entfernt befand, kam ich noch einmal an der Stelle vorbei, wo ich Hugos Leiche entdeckt hatte. Ich blieb stehen und suchte den Boden ab, in der Hoffnung, dass der Schnee etwas verdeckt hatte, was nun zum Vorschein käme.
    Leider war alles, was ich damit erreichte, dass meine Stiefel schmutzig und nass wurden, was meine Laune noch verschlechterte.
    Â»Gott zum Gruß, Gräfin.«
    Ich hatte Eugenius nicht kommen sehen und muss wohl kurz wie ein Fisch ausgesehen haben - mit offenem Mund und großen Augen.

    Â»Exzellenz«, brachte ich schließlich hervor. »Was tut Ihr hier?«
    Er hätte mich dasselbe fragen können, denn eine im Schlamm stochernde Hofdame war ein weit ungewöhnlicherer Anblick als ein päpstlicher Gesandter in der Königspfalz.
    Â»Ich bin auf dem Weg zum König«, antwortete er und lächelte mild. Eigentlich lächelte er immer. Eugenius sah stets gleich aus mit seiner Schneemannsfigur, dem auf der Höhe der Hüfte unvorteilhaft gegürteten Gewand und seinem großen, runden, friedvollen Gesicht. Ich mochte dieses Gesicht, vertraute ihm. Von der Stunde unseres Kennenlernens an brachten Eugenius und ich uns Freundschaft entgegen, so weit es sich für einen Geistlichen und eine Hofdame ziemte. Ich verdankte ihm, dass ich Schreiben gelernt hatte und diese neue Fähigkeit an Gerlindis weitergeben konnte, und ich verdankte ihm, dass er mir im Abstand einiger Monate leihweise Bücher und Schriften zur Verfügung stellte, sodass sich mein Wissen ständig erweiterte. Was er an mir schätzte, vermag ich nicht zu sagen. Möglicherweise war es mein burgundisches Naturell, in dem es wenig Verstellung und das Streben nach Eintracht gibt. Ich streite ungerne, und ich habe weder für selbstverleugnende Unterwürfigkeit noch für selbstschmeichlerischen Dünkel etwas übrig. Vielleicht hat ein Römer aus gutem Hause, der am Hof des fränkischen Königs lebt, den gelegentlichen Wunsch nach unverfälschtem Umgang. Aber vielleicht vermisste er - ein kinderloser Mann - auch lediglich, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, und ich war für ihn eine Tochter, so wie Gerlindis dies für mich geworden ist.
    Â»Vermutlich sprecht Ihr mit dem König über den bevorstehenden Besuch des Heiligen Vaters«, sagte ich.

    Â»Ihr wisst davon? Das ist gut. Es wäre mir übel aufgestoßen, Euch etwas verheimlichen zu müssen.««
    Â»Was hat es mit diesem Aufstand auf sich?«
    Eugenius war meine direkten Fragen gewöhnt und antwortete mir stets ohne Umschweife.
    Â»Es werden schwere Vorwürfe gegen den moralischen Lebenswandel Seiner Heiligkeit erhoben. Sie sind selbstverständlich unbegründet, doch wie wir alle wissen, maskiert sich

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