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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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letzten Mal gesehen. Die ganze Nacht weint sie in ihrem Bett, an dem ich wache.

    Â 
    Am nächsten Morgen sitzt sie mit geröteten Augen neben mir im Wagen auf dem Weg nach Mainz. Wir sind, außer dem Kutscher auf dem Bock, allein. Teodradas Schwester Hiltrud, die Halbschwestern und die Hofdamen fahren in anderen Wagen, der König, Arnulf, die Halbbrüder und die Edlen reiten hinter dem Wagen her, in dem Fastradas Leichnam aufgebahrt liegt.
    Â»Nicht wahr, sie kommt in den Himmel?«, fragt mich Teodrada. Ich könnte antworten, das obliege Gott dem Herrn, aber ich antworte: »Ja. Und sie wird dich von dort liebhaben.««
    Â»Du warst ihre Freundin, nicht wahr?« Ich müsste der Ehrlichkeit halber sagen, dass ich sie nicht ausstehen konnte, aber das ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt dafür, und ich antworte: »Eine Frau, die so gut zu ihren Kindern war wie zu dir und Hiltrud, verdient Respekt und Zuneigung, den ich ihr erweise, indem ich sie betraure.««
    Teodrada forscht lange in meinem Gesicht. Sie besitzt keine Menschenkenntnis, denn sie sagt: »Du meinst es ehrlich.« Nach einer Weile fügt sie hinzu: »Mama wurde umgebracht.«
    Mir fehlen die Worte. Woher nimmt dieses kleine Mädchen eine solch ungeheuerliche Behauptung?
    Â»Sie hat mir vor einer Woche gesagt, sie werde vergiftet.«
    Â»Deine Mutter war seit Monaten krank.«
    Â»Ja, und sie sagte, das kommt von der schleichenden Vergiftung.«
    Â»Sie - ich - das hat sie gesagt?«
    Â»Ja. Nur wusste sie nicht, wer sie vergiftet. Jeder kann es gewesen sein. Außer du, natürlich.«

    Sie schmiegt sich an mich, und ich bestärke sie darin.
    Ich glaube ihr kein Wort. Königin Fastrada war sich darüber im Klaren, dass sie den letzten Winter schlecht überstanden hatte. War es möglich, dass sie dem Kind etwas vorgelogen hatte? Dass sie phantasiert hatte? Dass Teodrada phantasierte?
    Â»Meine Halbbrüder wollen mich tot sehen.««
    Â»Nein, das wollen sie nicht.««
    Â»Ich bin eine Gefahr für sie.«
    Â»Das wärst du allenfalls, wenn du ein Junge wärst. Mach dir keine Sorgen.««
    Â»Bleibst du bei mir?«
    Â»Ich bleibe bei dir.««
    Ich schließe die Augen und danke Gott für dieses Kind, um das ich mich kümmern darf.
    Â 
    Im Kloster Sankt Alban bei Mainz findet Fastrada ihre letzte Ruhestätte. Auf einer Steinplatte steht:
    Â 
    Der erlauchten Königin Fastrada Leib hier ruht,
    Den der kalte Tod aus der Blüte des Lebens riss.
    Als edle Frau war sie einem mächtigen Mann ehelich verbunden.
    Doch nun gehört dem himmlischen Bräutigam
    Der bessere Teil ihrer Seele. König Karl blieb hier zurück,
    Glückliche Zeiten gewähre ihm der barmherzige Gott.
    Â 
    Nach der Grablegung nimmt mich der König beiseite.
    Â»Ich hörte, Ihr wachtet vergangene Nacht am Bett meiner Tochter.«
    Â»Das stimmt, Euer Gnaden.««

    Â»Für eine Nacht mag das angehen. Ja, wenn ich es mir recht überlege, habt Ihr meinen Dank verdient. Aber in Zukunft muss Teodrada lernen, sich an ihre Geschwister oder die Dienerinnen zu halten. Ihr könnt ja nicht immer um sie herum sein. In den nächsten Wochen werdet Ihr gewiss wieder Euren Gemahl auf dem Feldzug nach Sachsen begleiten.«
    Â»Ich dachte, ich könnte diesmal...«
    Â»Für Teodrada ist es besser, wenn sie sich nicht zu sehr an einen Menschen klammert. Wir haben ja gesehen, wohin das führt. Die Prinzessin bleibt vorerst in Frankfurt. Und Ihr lasst besser packen. Der Feldzug beginnt übermorgen.««
    Ich sah Teodrada erst ein Jahr später wieder. Wir blieben einander verbunden, aber dieses eine Jahr, in dem sie mich besonders gebraucht hätte, fehlte uns, das spürte ich deutlich. Teodradas Ängste hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits verfestigt, und weil sie sie niemandem anvertraut hatte, blieben sie unwidersprochen und entwickelten ein seltsames Eigenleben. Es kam noch dazu, dass allenthalben schlecht über Fastrada geredet wurde, wodurch sich bei Teodrada der Eindruck verstärkte, allenfalls geduldet, nicht aber geliebt zu werden. Ihr Vater behandelte sie so gut wie seine übrigen Kinder, doch das genügte ihr nicht mehr, sie hätte die doppelte Liebe gebraucht, und außerdem sah er sie zu selten. Ich hätte ihr helfen können, wäre ich bei ihr gewesen. Aber wieder war mir ein Kind entrissen worden, kaum dass ich es in

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